Antiromantische Komödie im Kino: Superb ausgemalte Katerstimmung

Mit ihrem Film „Meine schöne innere Sonne“ unterläuft Regisseurin Claire Denis scharfsinnig die Erwartungen an romantische Komödien.

Eine Frau liegt schlafend auf einem Bett

Hoffen auf Liebe: Juliette Binoche als Isabelle in „Meine schöne innere Sonne“ Foto: Pandora

In Filmen mit Juliette Binoche warte ich immer auf die Momente, in denen die Schneewittchen-Fassade aufbricht und ein raues Hexengelächter aus ihr herauskullert. Direkter als alle Kunst gespielter Empfindsamkeit bringt es die vitale Kraft dieser Frau zum Ausdruck. Unter den Grandes Dames des französischen Kinos ist sie eine, die ihr kühles Star-Image mit einer Portion Sentiment und „schöner Seele“ unterlegt, wie es Schauspielerinnen alter Schule suggerierten, wenn da nicht das Hexengelächter wäre.

In „Meine schöne innere Sonne“ hat die Kamerafrau und Regisseurin Claire Denis, eine Bildermagierin, die aus den gegensätzlichen Milieus ihres Werks eigene atmosphärische Welten jenseits der Sprache schafft, Juliette Binoche die Rolle einer konfusen Liebhaberin auf den Leib geschrieben, der ich die Lachlust glauben möchte, irgendwo tief drin, aber was bleibt, ist eher ein Lächeln im Desaster und eine Portion Komik bei all den Tränen und gemurmelten Selbstgesprächen.

Isabelle, eine Malerin in der Lebensmitte, geschiedene Ehefrau und Part-Time-Mutter, geht in ihrer Stadt Paris auf die Suche nach dem idealen Partner, der ihr – vielleicht wichtiger als alles – als Garant herhält, dass ihr Liebesleben noch nicht zu Ende ist. Das könnte eine amüsante Abenteuerreise in fremde Betten werden, doch es herrscht elegante Tristesse zwischen Isabelle und den Männern des Milieus, aus dem mit 50 auszubrechen nicht mehr leicht ist.

Isabelle ist in frostiger Winter­atmosphäre des Films in hohen Stiefeln, Minirock und jugendlichem Parka unterwegs zwischen ihrer verwinkelten Atelierwohnung, den Ausstellungsräumen ihrer neuen Galeristin und diversen Restaurants, in denen Claire Denis das Parlando der Verführung, Zurückweisung und Lagebeurteilung lustvoll präzise inszeniert.

Fetisch französische Erotik

In jeder Szene des Films stellt die schöne Frau ihren modischen Stil aus, zeigt die leuch­tende Haut ihrer lässigen Dekolletees an, dass sie gesehen werden will. Die Kamera liebt Juliette Binoches Profil, ihre schmalen Züge und die Augenpartie, aus denen die Anstrengung spricht, dem jugendlichen Ideal zu entsprechen.

Der alte Topos der Frau mittleren Alters, die im goldenen Käfig traditioneller Eheabhängigkeit verkümmert, ist hier von dem Porträt einer urbanen Single­frau abgelöst, die, wann immer ihr Kind beim Vater ist, ihr Liebesleben auf neue Betriebstemperatur bringt. Bettszenen inszeniert die Regisseurin wie malerische Aktbilder, aber schon die Eingangsszene eskaliert zur mechanischen Sexnummer, mit Tränen und peinlicher Betretenheit.

Das Ende vom Lied ist eine wahrhaft schräge Begegnung Isabelles mit einem Heiler (Gérard Depardieu)

„Meine schöne innere Sonne“ gibt Isabelles Wunsch, begehrt zu werden, nicht allein zu sein, intensiv zu leben, Raum, sich zu entfalten, und konterkariert die lädierte Romantik à la Binoche durch eine superb ausgemalte Katerstimmung, die das Begehren bei aller sexuellen Betriebsamkeit verkompliziert und Isabelles Suche nach wahrer Liebe in lauter Sackgassen enden lässt.

Es kann nur als bissiger Kommentar auf den Fetisch französische Erotik gemeint sein, dass Claire Denis und ihre Ko-Autorin Christine Angot ihre Hauptfigur mit wenig attraktiven Stoppelbärten, anderweitig verheirateten Affärenjägern beziehungsweise depressiven Typen aus dem Künstlermilieu zusammenspannt, denen sie nichtsdestotrotz in fiebriger Torschlusspanik hinterherläuft.

Ein einziger Pinselstrich

Da ist der verheiratete Bankier Vincent, ein arroganter sexistischer Mistkerl, wie Isabelle es formuliert, als sie ihn hinauswirft. Da ist ein namenloser Schauspieler, der aus eitler Frustration angesichts der allabendlichen Theaterroutine auf Isabelles Avancen eingeht, sich nach der ersten Nacht mit ihr jedoch depressiv verabschiedet. Da ist der wohlhabende Kunde im Fischgeschäft, eine bourgeoise Karikatur à la Flaubert, der die Künstlerin, um ihr zu schmeicheln, in sein Landhaus einlädt. Die Galeristen-Clique schließlich treibt Isabelle zur Weißglut, als man bei einem Ausstellungsbesuch auf dem Land die Winterlandschaft wie ein teures Gemälde über dem heimischen Kamin begutachtet.

„Meine schöne innere Sonne“. Regie: Claire Denis. Mit Juliette Binoche, Xavier Beauvois u. a. Frankreich 2017, 95 Min.

Das Ende vom Lied ist eine wahrhaft schräge Begegnung Isabelles mit einem Heiler (Gérard Depardieu), den sie in tiefster Verunsicherung aufsucht. Bindungsängste, psychische Erschöpfung und Selbstentfremdung teilen alle Zeitgenossen in Claire Denis’ Film, der Koloss mit dem Pendel und der suggestiven Art des Monologisierens ist da keine Ausnahme, wenn er der hingebungsvoll lauschenden Isabelle Zuversicht einredet und ihr rät, auf nichts als ihre „schöne innere Sonne“ zu setzen.

Claire Denis dekonstruiert scharfsinnig die Erwartung an romantische Komödien. Leider nimmt sie um dieses großartigen Effekts willen ihrer Hauptfigur alles, was mich jenseits des engen thematischen Korsetts Liebessehnsucht auch interessiert hätte. Einen einzigen Strich mit dem Pinsel zieht die Malerin im ganzen Film, Kunst fungiert nur als Gimmick, nicht als Ausdruck, Ausweg, Eigenes. Cécile, das Kind, für zehn Sekunden in der Mitte des Films im Bild, ist offenbar nicht Teil der Geschichte. Thema ist allein der zeitgenössische Virus des Lebens als Monade, das selbstbewusste Hexengelächter fällt aus.

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