Zwischen Bild und Beschreibung

Luxus und Gebrauchswert, Echtes und Unechtes: Kunst aus China ist ein Schwerpunkt in der Präsentation neu erworbener Werke in der Sammlung von Daimler Contemporary

Yang Fudongs Fokus liegt an anderer Stelle auf ihrer Chanel-Handtasche. Hier zu sehen: „The Coloured Sky: New Women II, 4“, 2014 Foto: Daimler Art Collection, Stuttgart/Berlin

Von Lorina Speder

Dass chinesische Kunst immer gefragter wird, kann man schon seit mehr als einer Dekade beobachten. Seit 2013, dem Jahr, in dem die Art Basel erstmals auch in Hongkong eröffnete, erweitert die Daimler Art Col­lection ihre Sammlung neben westlicher Kunst auch mit Werken junger chinesischer KünstlerInnen, die vorwiegend aus den Regionen Peking, Schanghai und Hongkong kommen. Nun eröffnet „Last Night’s Fortune Teller“, der letzte Teil einer Ausstellungsreihe über die neu erworbene chinesische und internationale Kunst der Sammlung bei Daimler Contemporary Berlin im Haus Huth am Potsdamer Platz.

Betritt man die Ausstellung, fällt im ersten Raum sofort ein eingelegter schwarzer Teppich auf, mit dem die Kuratoren edle Luxuskaufhäuser imitieren wollen. Die Fotografien des chinesischen Künstlers Yang Fudong passen deshalb gut in den Raum, sieht man doch asiatische Schönheiten mit Modelmaßen, die sich dem Glamour einer verwestlichten Welt hingeben. Die schwarzweiße Aufnahme „Ms. Huang at M last Night #5“ zeigt eine wohlhabende weibliche Hauptperson. Der Künstler schnitt ihren Kopf anonymisierend in der Fotografie ab, es geht ihm um die Umstände der abgelichteten Situation.

Yang Fudongs Fokus liegt auf ihrer teuren Chanel-Handtasche und den Nadelstreifenanzügen der männlichen Begleiter. Daneben greift auch die Installation „Dallas True Religion“ (2012) von Sylvie Fleury mit angeordneten Shoppingtüten die Markenwerte der Luxus-Welt auf. Die Hinterfragung von Fleury – wofür man eigentlich Geld ausgibt, für die Marke, oder das rohe Produkt – wird im Raum leider von der nahen Holzverkleidung der Heizung gestört. Die durch Farbe und Struktur dominante Verkleidung stört die sonst gelungenen, simulierten Darstellungen einer nicht-realen Welt.

Auffällig ist in der Sammlungspräsentation, dass viele Künstler jung sind. Von Iman Issa, die 1979 geboren ist, werden mehrere Werke gezeigt. Die ägyptische Künstlerin, die zuletzt durch die Ausstellung des Preises der Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof in aller Munde war, möchte mit „Fortune Teller (Study for 2013)“ zum Nachdenken anregen. Die Fotografie, die einen leuch­tenden Kreis in der Dunkelheit zeigt, suggeriert durch den Titel eine dargestellte Kristallkugel eines Wahrsagers. Issas Text, der zur Arbeit gehört, definiert „Fortune Teller“ in nüchterner Sprache jedoch als Abbild eines Mannes in seinem Zimmer. Sie beschreibt ihre Fotografie als ein ganz anderes, farbiges Gemälde mit Öl auf Leinwand. Mit dieser Pointe kritisiert Issa raffiniert vorschnelle Beurteilungen. Der Besucher ist damit frei für eigene Interpretationen abseits des Titels.

Auf der anschließenden Wand werden drei Fotografien von Marius Glauer (*1983) gezeigt. Das vom Berliner Künstler selbst inszenierte, sich überlagernde Triptychon nimmt durch das größte Bild, dessen wellige Folie bis auf den Boden gleitet, den Charakter einer Installation an. Der ehemalige Meisterschüler von Josephine Pryde bildet in seinen Arbeiten schattenlose Stillleben ab. Die artifiziell wirkende, abstrakte Skulptur in „Ohne Titel ll“ steht dabei in direktem Kontrast zu der pinkfarbenen, vor Leben sprühenden Gladiole, die rahmenlos danebenhängt.

Die Künstlerin schaut sich auf einem Bildschirm an, überwacht sich sozusagen selbst

Die Inszenierung hat eine bestimmte Wirkung, man fragt sich vor allem, was denn überhaupt echt ist. Glauer spielt hier mit dem Betrachter, sodass sich diese Frage nicht so schnell beantworten lässt. Auf geschickte Weise kombiniert er echt und unecht und fordert die ganze Fantasie und Wiedererkennungsgabe der Betrachter her­aus.

Gelangt man in den letzten Abschnitt der Ausstellung, befindet man sich in der 2014 von Daimler erworbenen Video-Installation von Fang Lu. „Cinema“ besteht aus mehreren im Kreis angeordneten Röhrenbildschirmen und Beamer-Projektionen. In den Videoszenen sieht man die 1981 geborene Chinesin aus mehreren Perspektiven gleichzeitig. Die Künstlerin sitzt in der Regie eines Theaters und schaut sich auf weiteren Bildschirmen an, überwacht sich sozusagen selber. Es entsteht eine Bild-im-Bild-Situation. Die vier Kameras fangen dabei besonders ihr Gesicht in Nahaufnahmen ein.

Fang Lus Kritik am chinesischen Regime und deren Überwachung überträgt sich aber auch auf die Besucher. In einer Momentaufnahme, die ein befremdliches Gefühl auslöst, zeigt sich die universale Wirkung ihrer Arbeit: Bei der Eröffnung tummeln sich die letzten Besucher zwischen der Installation. Die Sektflaschen und leeren Gläser sind auf den Bildschirmen des Werkes gestellt, aber keiner stört sich daran. Die chinesische Künstlerin ist nicht anwesend, doch kann man ihre eigene Überwachung im Werk nun direkt auf die Besucher beziehen. So muss man doch kopfschüttelnd lächeln, wenn Fang Lus Augenmerk scharf und direkt auf die feiernden Besucher fällt, die sich ihrer Kunst nicht annehmen wollen.

Daimler Contemporary, Alte Potsdamer Str. 5, tägl. 11–18 Uhr, bis 13. Mai 2018