„Erster wichtiger Teilerfolg“

Klima: RWE heute vor Gericht. Klägeranwältin zuversichtlich

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Roda Verheyen, geb. 1972, ist Rechtsanwältin in Hamburg. Sie promovierte über Völkerrecht und Klimaschutz.

Interview Christian Rath

taz: Frau Verheyen, Sie vertreten den peruanischen Bergbauern Saúl Lliuya. Er hat RWE verklagt, weil der von RWE mitverursachte Klimawandel sein Haus bedroht. Welche Bedeutung hat dieses Verfahren?

Roda Verheyen: Es ist das erste zivilrechtliche Verfahren zu den Folgen des Klimawandels in Europa.

Sie betreten also rechtliches Neuland?

Nein, im Gegenteil. Wir stützen uns auf eine alte Norm im Bürgerlichen Gesetzbuch. Danach kann ein Eigentümer von einem Störer verlangen, dass er die Beeinträchtigung des Eigentums unterlässt.

Auch ohne RWE gäbe es den Klimawandel. Stört RWE also wirklich Lliuyas Eigentum?

Ja. RWE ist ein Großemittent, der mit 0,47 Prozent zum globalen Ausstoß von Treibhausgasen beiträgt. RWE allein trägt so viel zur globalen Erwärmung bei wie etwa die Niederlande. Klimaforscher bestätigen, dass der Klimawandel ohne die Emissionen von RWE messbar geringer ausfallen würde. Nach meiner Auffassung genügt eine solche Mitverursachung.

Heute am Donnerstag will das Oberlandesgericht (OLG) Hamm eine Zwischenentscheidung bekannt geben. Womit rechnen Sie?

Das Gericht hat sehr deutlich mitgeteilt, dass es unsere juristische Argumentation für tragfähig hält. Ich rechne deshalb damit, dass das Gericht jetzt eine Beweisaufnahme zu den Fakten anordnet. Das wäre ein erster Teilerfolg.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat beim „Waldsterben“ festgestellt, dass einzelne Unternehmen nicht verklagt werden können, weil deren Emissionsbeiträge „ununterscheidbar vermischt“ sind. Werden Sie deshalb nicht spätestens beim BGH scheitern?

Nein. Denn im Unterschied zum Waldsterben tragen zum Klimawandel alle Emittenten auf der Erde bei, egal wo sie sich befinden. Es kommt also – anders als beim Waldsterben – gar nicht darauf an zu belegen, dass eine konkrete Anlage ein bestimmtes Waldstück mitgeschädigt hat.

Könnte auch jeder deutsche Autofahrer für drohende Schäden in Peru haftbar gemacht werden?

Nein. Es geht nur um Großemittenten, deren Ausstoß als Signal im Klimamodell wahrnehmbar ist. Es geht nicht um den einzelnen Autofahrer, dessen CO2-Ausstoß in das allgemeine Hintergrundrauschen eingeht. Ob der 0,47-Prozent-Anteil von RWE einen relevanten Einfluss hat, wird das OLG Hamm im Rahmen der Beweisaufnahme überprüfen.

Hoffen Sie, dass andere Gerichte weltweit einem etwaigen deutschen Beispiel folgen?

Natürlich. Darauf arbeiten ja auch schon Kollegen in anderen Ländern hin, etwa in den USA.