Das Spiel der Nachspiele

FAN-RANDALE Nach den Ausschreitungen beim Auswärtsspiel des FC St. Pauli in Rostock hat die Aufarbeitung begonnen. Die Polizei sah nur zu, als ein Rollstuhlfahrer von einem Hansa-Fan angegriffen wurde

■ Fanfreundschaft: Bis zu 5.000 FC St. Pauli-Fans wollen heute das befreundete Team von Celtic Glasgow bei seinem Europa-League-Gastspiel beim HSV unterstützen.

■ Trennkost: Die Polizei wird mit einem „erhöhten Aufgebot“ die Fangruppen strikt trennen. Polizei-Sprecher Ralf Meyer: „Wir zeigen mehr Präsenz als bei einem normalen Bundesligaspiel.“

Es war das erwartete „Hass-Spiel“. Nach den Ausschreitungen rund um die Zweitliga-Partie zwischen Hansa Rostock und dem FC St. Pauli ist bei dem Kiez-Klub die Aufarbeitung der Übergriffe der eigenen Fans und Spieler in vollem Gange. Im St. Pauli-Block waren nach dem Hamburger Führungstreffer Rauchbomben und bengalische Feuer gezündet worden, woraufhin das Spiel minutenlang unterbrochen werden musste.

„Wir können nicht Aktionen der Cottbusser Fans vor einer Woche am Millerntor verurteilen und dann zusehen, wenn unsere Anhänger dasselbe tun“, sagt der Fanbeauftragte der FC St. Pauli, Stefan Schatz. Er werde eine Fan-interne Diskussion um solche Verhaltensweisen in Gang setzen. Stadionverbote für die Randalierer, wie von Vereinspräsident Corny Littmann gefordert, lehnt Schatz aber ab. Sie seinen „kein probates Mittel, um auf solche Vorfälle zu reagieren“.

Ein Nachspiel hat die Rostock-Partie auch für den St. Pauli-Spieler Deniz Naki, der die feindselige Stimmung mit einer Halsabschneider-Geste in Richtung Rostock-Block angeheizt hatte. Nachdem der Verein Naki bereits am Dienstag eine Geldstrafe aufgebrummt hatte, sperrte ihn am Mittwoch der Deutsche Fußball-Bund wegen krass sportwidrigen Verhaltens für drei Liga-Spiele. Einer empfindlicheren Strafe entging der 20-Jährige nur, weil er sich zuvor öffentlich für sein „unsportliches und respektloses“ Verhalten entschuldigt hatte.

Gleichzeitig sind Ordnungskräfte und Polizei bei dem Spiel in Rostock erneut kritisiert worden. So berichtet Dr. Jürgen Altendorf, Oberarzt an der Hamburger Uniklinik und Mitglied des FC St. Pauli, wie er als Rollstuhlfahrer im Hansa-Stadion von einem Rostock-Fan mehrfach tätlich angegriffen wurde, ohne dass Ordner oder Polizeikräfte einschritten.

Er und eine andere Rolli-Fahrerin seien von den Ordnungskräften nicht von den Hansa-Anhängern abgeschirmt, aber auch nicht zum Gästeblock durchgelassen worden. Als nach dem Hamburger Führungstor ein Hansa-Anhänger versucht habe, ihm seine Vereinsfahne zu entreißen und ihn dabei geschlagen habe, hätten die nur wenige Meter entfernt stehenden Sicherheitsdienstler und Polizeikräfte nicht eingegriffen.

Nach einem zweiten tätlichen Angriff habe er gebeten, zumindest einen der umstehenden Ordner zum Schutz der Rollstuhlfahrer abzustellen. Ihm sei geantwortet worden, „dass das nicht ginge, man könne mir aber anbieten, das Stadion zu verlassen“. Nachdem er und die andere Rolli-Fahrerin in der Folge weiter „beschimpft und bedroht“ worden seien, ohne dass Polizei und Sicherheitsdienst eingegriffen hätten, hätten er und sein Begleiter sich genötigt gesehen, das Stadion vorzeitig zu verlassen.

MARCO CARINI