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Wenn die Stimme versagt

Bei Problemen mit dem Sprechen und Schlucken helfen LogopädInnen. Der Weg in den Beruf führt traditionell über eine private Ausbildung – aber zunehmend auch ein Studium

Geduld, Empathie und Sachkunde: eine Logopädin bei der Arbeit Foto: Sabine Maurer/dpa

Von Joachim Göres

270.000 Frauen und Männer erleiden in Deutschland jährlich einen Schlaganfall. Die Hälfte davon hat danach Probleme mit dem Schlucken, 30 Prozent können nicht mehr reden, müssen es mühsam neu lernen. Mit solchen Menschen hat die Atem-, Sprech- und Stimmlehrerin Susanne Landmesser-Roßmann häufig zu tun: Erwachsene, die sich als Folge neurologischer Erkrankungen – häufig sind es Parkinson oder Multiple Sklerose – nur schwer verständlich machen können. „Das sind ja zum Teil fortschreitende Krankheiten, bei denen es darum geht, die Folgen abzumildern“, sagt Landmesser-Roßmann. Zu ihren Patienten zählen zudem PastorInnen, LehrerInnen und ErzieherInnen: „Sie müssen häufig gegen einen hohen Lautstärkepegel ansprechen und belasten dabei ihren Kehlkopf“, erklärt die Logopädin. „Mit Atem- und Stimmübungen zeige ich ihnen, wie es besser geht. Wenn sich aber die Arbeitsbedingungen bei ihnen nicht ändern, und sie das Gelernte auf Dauer nicht anwenden können, tauchen sie nicht selten nach einiger Zeit wieder bei mir auf“, sagt Landmesser-Roßmann, die als Selbstständige Patienten in ihrer Praxis in Celle behandelt, aber auch Hausbesuche macht.

Geduld und Empathie, medizinisches Wissen und psychologische Kenntnisse sind in ihrem Beruf gefragt – erst recht bei jungen PatientInnen. Zu Landmesser-Roßmann kommen oft Jungen und Mädchen im Vorschulalter, die etwa Zischlaute nicht richtig aussprechen können. Dann lässt sie schon mal eine Spielzeugdampflok fahren, macht die entsprechenden Geräusche dazu, das Kind stimmt ein. „Manche Kinder können k nicht von t, s nicht von f unterscheiden. Dann muss man die Hörwahrnehmung trainieren. Andere haben Probleme mit der Mundmotorik.“

Rund 11.000 Mitglieder zählt der Deutsche Bundesverband für Logopädie (DBL), der größte Berufs- und Fachverband – zu mehr als 90 Prozent Frauen: Als Logopädinnen, Sprachheilpädagoginnen, Sprachtherapeutinnen sowie Atem-, Sprech- und Stimmlehrerinnen diagnostizieren und behandeln sie Stimm-, Sprech-, Sprach-, Hör-, Schluck- und Kommunikationsstörungen, sind präventiv und beratend tätig. Bislang absolvieren sie meist eine dreijährige Berufsfachschule, deren Voraussetzung die Mittlere Reife ist. Immer mehr entscheiden sich aber auch für ein Studium der Logopädie mit dem Abschluss Bachelor. „Es gibt in Deutschland zwölf unterschiedliche Ausbildungswege, die auf logopädische Berufsfelder vorbereiten“, sagt die DBL-Vorsitzende Dagmar Karrasch. die selbst als Atem-, Sprech- und Stimmlehrerin bei Hannover arbeitet. „Wir fordern eine einheitliche akademische Ausbildung, wie sie in Europa üblich ist.“

Ob mit oder ohne Studium: Unterschiede bestehen Karrasch zufolge in der konkreten Arbeit und in der Bezahlung kaum – abgesehen von Leitungs- oder Lehrtätigkeiten. „Es gibt eine hohe Zufriedenheit mit dem Tätigkeitsfeld und eine große Unzufriedenheit mit dem Verdienst.“ Die Verbandsvorsitzende verweist auf eine aktuelle Befragung von 433 LogopädInnen: Die Hälfte denke über einen Berufswechsel nach.

Etwa 100 AbsolventInnen schließen jedes Jahr die Modellstudiengänge für Logopädie ab (mehr dazu unter www.dbs-ev.de/hochschule/studienorte).

An den knapp 90 logopädischen Berufsfachschulen bestehen jährlich rund 850 SchülerInnen die Abschlussprüfung, teils zusammen mit einem Bachelor aus einem dualen Studium an der HAWK Hildesheim in Kooperation mit Logopädiefachschulen in Bad Nenndorf, Hannover, Göttingen und Hildesheim.

70 Prozent der Logopädiefachschulen sind kostenpflichtig: Monatlich sind im Schnitt 455 Euro zu zahlen.

Für logopädische Leistungen zahlen Krankenkassen für eine drei Viertel Stunde Behandlungszeit 39 Euro in West- und 31,40 Euro in Ostdeutschland – aus Sicht des DBL zu wenig, um eine eigene Praxis rentabel zu führen. Angestellte BerufsanfängerInnen kommen laut Tarifvertrag in kommunalen Krankenhäusern auf monatlich gut 2.300 Euro brutto, viele werden aber unter Tarif bezahlt.

Für die Ausbildung muss man meistens noch Geld mitbringen: Es gibt keine Vergütung und die überwiegend privaten Berufsfachschulen verlangen für die dreijährige Ausbildung oft mehr als 15.000 Euro. „Es kann nicht sein“, sagt Karrasch, „dass im Gegensatz zu allen anderen Berufen die Erstausbildung selbst finanziert werden muss.“

Demnächst könnte sich zumindest an den Logopädieschulen der Unikliniken in Hannover und Göttingen sowie in Nordrhein-Westfalen und im Saarland etwas ändern: „Wir verhandeln mit den Ländern um eine Vergütung für die komplette Ausbildung an diesen Berufsfachschulen“, sagt Mario Gembus von der Gewerkschaft Ver.di: „Klar ist, dass sich etwas tun wird – nur noch nicht ab wann, und wie hoch die Vergütung sein wird.“