Flecken auf Trittins Weste

Die Lärmbelastung in Deutschland ist zu hoch. Das geht aus dem Jahresbericht des Umweltbundesamtes hervor. Schuld sind auch Versäumnisse von Rot-Grün

BERLIN taz ■ Nicht nur wegen des Wahlkampfs – es ist zu laut in Deutschland. Mehr als die Hälfte aller Deutschen fühlt sich von Verkehrs-, Flug- oder Nachbarschaftslärm belästigt. Das geht aus dem aktuellen Jahresbericht „Daten zur Umwelt“ hervor, den Bundesumweltminister Jürgen Trittin gestern in Berlin vorstellten. Der vom Umweltbundesamt (UBA) erstellte Bericht informiert seit 1984 jährlich über den Zustand der Umwelt in Deutschland – vom Klimaschutz bis zur Abfallwirtschaft.

Auch in diesem Jahr spielt das Thema Lärm wieder eine zentrale Rolle: „Lärm ist immer noch ein großes Problem und beeinträchtigt die Lebensqualität vieler Menschen“, urteilt Andreas Troge, Präsident des Umweltbundesamts. Bedeutendste Lärmursache sei immer noch der Straßenverkehr, von dem sich mehr als die Hälfte belästigt fühlt. Die zweitgrößte Nervensäge ist der Fluglärm, an denen sich bundesweit jeder Dritte stört. Die zu laute Musikanlage des Nachbarn reizt über 40 Prozent.

Der Lärmpegel habe in den letzten Jahren trotz einzelner Maßnahmen nicht nachgelassen, so Troge. Die Entwicklung leiserer Motoren oder passiver Lärmschutzmaßnahmen wie Autobahnwälle würden durch die generelle Zunahme des Verkehrs wieder wettgemacht. „Großen Nachholbedarf gibt es bei aktiven Lärmschutzmaßnahmen wie schärferen Grenzwerten oder der Entwicklung leiserer Güterzüge“, findet Rüdiger Rosenthal, Sprecher des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND). Außerdem hätte sich Rot-Grün vorgenommen, Grenzwerte für Personen- und Militärflugzeuge festzulegen, doch das sei nie durchgesetzt worden.

Umweltminister Trittin ging gestern jedenfalls nicht auf das Thema Lärm ein. Er beschränkte sich auf wahlkampftaktische Steckenpferde: Gab es zu Beginn seiner Amtszeit im Netz 4,7 Prozent Strom aus regenerativen Anlagen, so sind es heute 9,3 Prozent. „Einige rot-grüne Lieblingsthemen wurden vorangetrieben, während andere Bereiche vollkommen vernachlässigt wurden“, kontert Peter Paziorek, umweltpolitische Sprecher der Union. Bei der Feinstaubbelastung habe Trittin noch nicht einmal eine Verordnung zur Kennzeichnung von Fahrzeugen vorgelegt. Paziorek: „Eine Novelle des Fluglärmgesetzes steht bis heute aus.“

Auch der BUND sieht schwarze Flecken auf Trittins weißer Umweltpolitik-Weste: Zwar stellt der Umweltbericht einen Rückgang des Flächenverbrauchs um 29 Prozent fest, zwar belegt er eine Zunahme der Ökolandbaufläche um 2,1 Prozent gegenüber 1998. „Doch angesichts der von Rot-Grün ausgegebenen Ziele kann dieser Stand nicht wirklich befriedigen“, so BUND-Sprecher Rüdiger Rosenthal.

SUSANNE GÖTZE

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