Real Madrid in der Krise: Ermattete Helden

Real Madrid punktet so wenig wie lange nicht mehr. Kritisiert wird die Personalpolitik und gar Klublegende und Trainer Zinédine Zidane.

ein Mann fasst sich mit der rechten Hand ins Gesicht

Was ist da los? Ein nachdenklicher Zinedine Zidane Foto: dpa

MADRID taz | Neuerdings macht in Madrid wieder der Name Bernd Schuster die Runde. Das liegt daran, dass der städtische Premiumklub Real zuletzt unter dem deutschen Trainer zur Adventszeit mit so wenigen Punkten dastand. Man schrieb 2008, wie jetzt waren die Madrilenen als Titelverteidiger in die Saison gegangen. Für Schusters Aus sorgten ein 3:4 gegen Sevilla und sein eigenwilliger Ausblick auf das nächste Spiel in Barcelona: „Unmöglich für uns, im Camp Nou zu gewinnen“.

Nun kommt fürs erste nur Dortmund zu einem für Real bedeutungslosen Champions-League-Spiel. Die Madrilenen sind bereits qualifiziert, können aber Tottenham nicht mehr von der Gruppenspitze verdrängen, auch das Symptom einer Krise – die nun auch im Jahr 2017 den Trainer erreicht hat.

„Die ersten Zweifel der Ära Zidane“ konstatiert das Hofblatt Marca, derweil ein As-Kolumnist nach dem jüngsten 0:0 beim Tabellen-16. Athletic Bilbao routiniert die „schlechten Entscheidungen auf der Bank“ neben Pech und Abschlussschwäche als Dauermotiv nennt. Bis 2006 und Defensivfanatiker Fabio Capello muss zurückgehen, wer ein Real sucht, das nach 14 Spieltagen so wenig Tore geschossen hat: 25. Sie reichen zu Tabellenplatz vier, acht Punkte hinter der Spitze.

Bei so einer Gemengelage schrillen am Königshof logischerweise die ersten Alarmglocken. Zidane präsentierte sich gestern dünnhäutiger als gewohnt: „Mich interessiert nicht, was andere Leute sagen“, wiederholte er mehrfach. Persönlich verfügt er schon wegen seiner zwei Champions-League-Titel über ungleich mehr Kredit als damals Schuster. „Er ist der bestmögliche Leader für unsere Mannschaft“, beschützte ihn soeben Präsident Florentino Pérez.

„Nichts hat sich geändert. Nur dass wir nicht treffen“

Was es an Weihnachten heißen wird, vermag indes niemand zu prophezeien, denn Real steht nach dem Dortmund-Spiel eine deftige Agenda ins Haus. Gegen das punktgleiche Sevilla muss wenigstens der Champions-League-Platz verteidigt werden, dann geht es zur Klub-WM in Abu Dhabi mit der einzigen Zielvorgabe des Titels, und schließlich kommt Barça zum Clásico.

In Bilbao liefen dieselben elf Spieler auf wie im letzten Champions-League-Finale, und danach gab Zidane seine seit Wochen erprobte These zum Besten: „Nichts hat sich seither geändert. Nur dass wir nicht treffen“. Erst je zwei Tore haben die Stürmer Ronaldo (aus 68 Torschüssen), Benzema und Bale diese Ligasaison erzielt, derweil Madrids Zeitungen schmachtend von den Heldentaten der abgewanderten Morata (neun Saisontore für Chelsea) und Mariano (zehn für Olympique Lyon) berichten. Nicht auszudenken, wenn jetzt auch noch James Rodríguez zu treffen begänne.

Ohne hochkarätige Ersatzbank verliert Zidane seine größte Stärke der Vorsaison

Aber es ist nicht nur die verlorene Effizienz einer Mannschaft, die früher aus keiner Chance drei Tore machen konnte. Die Gelegenheiten sind auch nicht mehr so häufig. Irgendwo steckt ein Fehler im System, und Zidane vermag ihn bisher nicht zu beheben. Womöglich ist es die Überpräsenz von Isco, der Real zu Saisonbeginn so sehr prägte, dass er seitdem denkt, es in jeder Szene tun zu müssen. Sogar das Fehlen des diese Saison besonders oft verletzten Bale musste bei den Kritikern schon als Grund für den Abschwung herhalten. Dabei sehen die ihn sonst überwiegend als galaktische Ausschussware, die man längst auf die Insel hätte zurückschicken sollen.

Zidane gilt jenseits von Verdiensten und Legendenstatus in der Klubführung auch deshalb noch als sakrosankt, weil man sich dort einer Mitschuld bewusst ist. An Bale und dem irrlichternden Benzema festgehalten und so den Weg für den 18-jährigen Kylian Mbappé (jetzt Paris) verbaut zu haben, gilt schon jetzt als historischer Fehler. Die Abgänge von Morata, James und Abwehrveteran Pepe nur durch Nachwuchstalente ersetzt zu haben, mindestens als gescheitertes Wagnis. Zumal Zidane den Neuen (noch) nicht vertraut. Oder sie angesichts der schwierigen Situation nicht überfordern will. Da diese Situation aber von Woche zu Woche angespannter wird, müssen die ermatteten Helden der Stammelf erst recht ran. Ein Teufelskreis.

Ohne hochkarätige Ersatzbank verliert Zidane seine größte Stärke der Vorsaison: Intuition und Diplomatie bei den Rotationen, die einen doppelten Zweck erfüllten; sie hielten alle zufrieden und garantierten ein ausgeruhtes Team für die entscheidende Saisonphase.

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