wochenschnack
: Alle aufs Gymnasium?

Diese Frage sowie den Sinn oder Unsinnn der Gymnasialempfehlung, diskutierten wir in der vergangenen Wochenendausgabe

Kommt sie mal aufs Gymnasium? Die spätere Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft, bei der Einschulung Foto: dpa

Bildungsrampe

Gymnasialempfehlung – frei nach dem Motto: Selektion find’ich gut. Ist ja nur die Bildungsrampe.

Selbst die OECD moniert, dass wir in Deutschland ein Bildungssystem haben, in dem der Erfolg von der sozialen Herkunft abhängt. Ach ja, dann wird wegen Fachkräftemangel gejammert. Hauptsache, die Konkurrenz aus den unteren/mittleren Schichten wird ausselektiert. J_CGN, taz.de

Einfach falsch

Dass am Anfang des Lebens entschieden wird, was im Rest möglich ist oder nicht, ist einfach falsch.

nutzer, taz.de

Die Kinder selbst sollen entscheiden

Zitat: „Eine verbindliche Entscheidung durch Fachpersonal erspart den Kindern das schmerzhafte Scheitern (...), die Schmach, gehen und sich eine Stufe tiefer eingliedern zu müssen.“

Ich glaub’, ich les’nicht richtig! Diese „verbindliche Entscheidung durch Fachpersonal“ (Selektion) „erspart“ den Kindern das „Gefühl des Scheiterns“ nicht, es löst dieses Gefühl überhaupt erst aus. Und zwar noch, bevor das Kind auch nur den Hauch einer Chance hatte zu probieren, was es selbst will oder kann.

Weder Eltern noch Lehrer sollten entscheiden. Die Schüler sollten es tun. Es geht schließlich um ihre Zukunft. Außerdem sind sie die einzigen, die wirklich wissen können, wer sie sind.

Eltern sind oft entweder von Ehrgeiz oder Angst getrieben (Akademiker) oder sie haben selbst keine oder zu negative Erfahrungen mit dem Bildungssystem gemacht (Nicht-Akademiker). Sie entscheiden nicht objektiv und vielfach falsch, weil sie weniger ihr Kind und dessen Bedürfnisse sehen als ihre eigene Verantwortung als Erziehungsverpflichtete, die eigenen Ziele oder Vorbehalte. Lehrer aber haben häufig mehr ihren Stoff im Blick als ihre Schüler. Außerdem sind sie nur selten frei von Vorurteilen und Aversionen, Profitum hin oder her. Lehrer sind auch bloß Menschen.

Nein, entscheiden müssen schon die Kinder. Menschen müssen ihre Zukunft von Anfang an selbst mitgestalten und verantworten dürfen. Nur dann haben sie eine. In einer hochtechnisierten, globalisierten Welt braucht niemand Untertanen. Der Staat schon gar nicht. Der braucht starke, selbständige Bürger.

Aber um entscheiden zu können, müssen Schüler erst einmal sich und die Welt halbwegs richtig einschätzen kennen. Mit 10 oder 12 Jahren ist es noch viel zu früh für „Weichenstellungen“ aller Art. Es ist bloß beinah schon zu spät für Lehrer und Eltern, über die Kinderköpfe hinweg entscheiden zu können.

Empfehlung abschaffen? Gut. Entscheidung vertagen? Besser! Ganz darauf verzichten: Vernünftig.

mowgli, taz.de

Starker Tobak

@mowgli Sorry, aber sie haben, glaube ich, von der Materie nur einen begrenzten Einblick.

Zunächst ist es einfach mal so, dass das Lerntempo und die Stoffmenge bzw. -komplexität am Gymnasium am höchsten ist. Das ist der alleinige Maßstab, der bei der Evaluation von Schülern beim Übergang zur weiterführenden Schule zählt.

Sie unterstellen akademisch gebildeten Lehrern, dass sie nicht fähig sind, Schüler, die sie vier Jahre lang in- und auswendig kennengelernt haben, dahingehend objektiv zu beurteilen. Das ist schon sehr starker Tobak. 10-jährige Schüler haben nicht mal ansatzweise die Fähigkeit, sich selbst dahingehend zu beurteilen, sie können bestenfalls Wünsche äußern. Die noch in diesen Fällen durchweg davon beeinflusst sind, was die jeweiligen Mitschüler machen.

Außerdem ist es so, dass unser Schulsystem nach „oben“ hin extrem durchlässig ist. Deshalb kommt es ja auch immer wieder vor, dass z. B. Realschüler in der Orientierungsstufe doch noch ans Gymnasium gehen. Warum? Weil die Realschullehrer dies empfehlen.

Zudem können sie auch später noch jederzeit das Abitur nachholen, auf ganz vielfältige Weise.

Was sie wollen, ist die Einheitsschule. Weil ihnen die ganzen vermeintlichen „Elitenkinder“ am Gymnasium ein Dorn im Auge sind.

Horst Leverkusen, taz.de