„Wir zeigen Perspektiven“

Die Hip-Hop Academy Hamburg feiert ihr 10. Jubiläum mit einer Gala auf Kampnagel. Leiterin Dörte Inselmann über Hip-Hop-Werte, Wertschätzung und Professionalität

Ein bisschen anstrengen muss man sich schon, aber dann hat man den Dreh schnell raus: Gala der Hip-Hop Academy 2013 Foto: Anja Beutler

Interview Robert Matthies

taz: Frau Inselmann, Sie haben vor 10 Jahren die Hip-Hop Academy Hamburg initiiert. Warum eignet sich Hip-Hop gut für die Arbeit mit Jugendlichen?

Dörte Inselmann: Was es so besonders macht, sind die Werte und was man damit alles erreichen kann. Hip-Hop ist ein guter Zugang, weil er für ganz viele Kids in so genannten Randbezirken ihre eigene Kultur ist. Im Hip-Hop macht sich eine junge Generation weltweit selbst auf den Weg. Sie kommuniziert miteinander, gestaltet und bringt sich ein. Etwas zusammen zu machen und dazuzugehören, das steht im Vordergrund: Jeder kann mitmachen, weil Hip-Hop so vielfältig ist, von Rap über Graffiti bis zu Producing. Es ist diese Community und diese positive Energie, da haben die Kids kaum eine Chance, sich zu entziehen. Das sind Werte, die kann man nicht kaufen, die kann man nur fördern und weiterführen.

Es geht also um Werte und gegenseitige Wertschätzung?

Es ist ja heute für Jugendliche oft die Frage: Was bin ich wert? Da ist die Community sehr wichtig, eben weil jeder dazugehören kann und es cool ist, zu so einer Gemeinschaft zu gehören. Hip-Hop ist weltoffen und kann zum Beispiel auch einen guten Kon­trast bieten zu zum Beispiel religiösen Fundamentalismen, die derzeit zunehmen. Und es geht uns auch darum, diese Kultur zu schützen. Deshalb lernt man auch etwas über die Historie, darüber, wie etwas entstanden ist, etwa wo ein Style herkommt und wozu er gehört.

Ihnen geht es aber um mehr als Jugendarbeit und Freizeitgestaltung. Sie setzen auf Professionalität und fördern über Jahre hinweg.

Wir haben mit Hip-Hop ein Modell, mit dem wir junge Künstler aus allen Bereichen unabhängig von ihrer Herkunft fördern können. Wir haben mittlerweile 700 „Students“ und bauen für sie einen Weg von der Straße bis zum professionellen Markt. Wir zeigen Perspektiven auf und können jedem etwas mitgeben, auch wenn nicht jeder Künstler wird.

Was lernt man denn über die künstlerischen Skills hinaus?

Hip-Hop fördert die Individualität. Es gibt eine gemeinsame Identität, auf der anderen Seite wird aber auch genau geguckt: Du kannst nicht abkupfern, du bist gefordert, du musst in den Kreis gehen und improvisieren lernen. Jeder muss sich austesten und bekommt für seine Persönlichkeitsentwicklung viel mit auf den Weg, kriegt viel positive Resonanz und lernt, mit Feedbacks umzugehen. Die Kids können gut damit leben, wenn sie bei Battles mal verlieren.

Was muss man mitbringen, um gefördert zu werden?.

Man kann auch ohne Talent jederzeit mitmachen. Wir wollen ein hochwertiges Angebot machen und schauen bei jedem „Student“, ob Talente da sind und zeigen ihnen dann weitere Wege. Zudem wollen wir nachhaltig und nicht nur punktuell fördern, wenn jemand Bock hat und sich anstrengt. Das ist in der Jugendkultur selten, das gibt es sonst eigentlich nur im Sport. Wir haben ein gut ausgebildetes Team von Trainern, die anerkannt sind in der Szene. Ben Wichert zum Beispiel, unser künstlerischer Leiter, ist Hip-Hop World Champion. Uns ist hohe Qualität wichtig, dass wir wirklich Vorbilder präsentieren. Man fehlt dann auch nicht beim Training.

Dörte Inselmann

ist Intendantin und Vorstand der Stiftung Kulturpalast Hamburg. 2007 initiierte sie die Hip-Hop Academy Hamburg.

Wie lange fördern Sie die Jugendlichen?

Das ist sehr unterschiedlich. Manche bleiben nur zwei Jahre, kommen dann aber auch immer wieder mal zu einer Jam. Manche sind fünf, sechs Jahre da. Unsere Trainer etwa haben fast alle hier angefangen. Unsere Talentförderung geht von 13 bis 25 Jahren, seit zwei Jahren haben wir aber auch Angebote für Kinder, weil die Nachfrage so groß war. Schulen und eine Stiftung sind an uns herangetreten, die wollten, dass wir das ausprobieren und auch eine Mischung machen aus geflüchteten und nicht geflüchteten Kindern. Das hat wunderbar funktioniert und wir können uns kaum retten vor der Nachfrage.

Wie sind die Zukunftsaussichten?

Das Interesse unsererseits, es auszuweiten, ist groß, da ist noch viel Potenzial – die Finanzen wachsen aber leider nicht. Wir sind da auf weitere Förderer angewiesen, die das auch nachhaltig machen. Geplant ist derzeit, Künstler auch mit Tourneen zu unterstützen und zum Beispiel ein Label aufzumachen, um auch beim letzten Schliff zu helfen.

Gala der Hip-Hop Academy: Do, 30. 11., bis Sa, 2. 12., 20 Uhr, Kampnagel

www.hiphopacademy-hamburg.de