Mit Nazimethoden gegen Nazis

KunstaktivistInnen vom ZPS stellen Björn Höcke eine Kopie des Holocaustmahnmals vor die Nase

Von Brigitte Werneburg

Gerade hatte man sie fast schon vergessen, die AfD und ihr Personal, in Zeiten der Jamaika-Sondierung und deren letztlichem Scheitern. Endlich ging es um politische Fragen, und zwar von Belang, da hat das Zentrum für Politische Schönheit seinen großen Auftritt mit einem Ableger des Berliner Holocaustmahnmals vor dem Haus von Björn Höcke, AfDler der ganz extremen Sorte. Falsches Timing war dann auch das Mindeste, was die Kommentatoren an der Aktion zu bemängeln hatten.

Björn Höcke, zur Erinnerung, hat im Januar dieses Jahres in einer berühmt-berüchtigt gewordenen Brandrede im Dresdner Ballhaus Watzke das Original als „Denkmal der Schande“ bezeichnet und eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ gefordert. Die will nun die Kunstaktivistengruppe vollzogen haben, mit der Errichtung einer „Außenstelle“ des Denkmals.

Zunächst kann man sich einer gewissen hämischen Freude ja nicht erwehren, wenn man sich vorstellt, wie Höcke aus den Fenstern seines prachtvoll altertümlichen Pfarrhauses in Bornhagen schaut und dann 24 exakte Nachbildungen der Betonstelen des Berliner Holocaustdenkmals vor der Nase hat. Dessen Mitinitiatorin Lea Rosh sieht denn auch in der Aktion eine „herrliche Bestrafung“ für Höcke. Aber geht es in der erinnerungspolitischen Auseinandersetzung der Bundesrepublik wirklich um die Bestrafung unangemessener, verfehlter Forderungen?

Überhaupt wird die Sache und wie sie von der Gruppe mit ihrem Sprecher Philipp Ruch vertreten wird, immer schaler, je genauer man hinschaut und hinhört. Warum eigentlich spricht er von einer Außen- und nicht einer Neben- oder Zweigstelle, einer Filiale, Vertretung, Niederlassung?, fragt man sich. Womöglich weil die Außenstelle an den NS-Jargon von Außenlager oder Außenkommando erinnert? Aber was ist dann damit gesagt?

Und dann ist Kunst oder eine politische intendierte Kunstaktion nur interessant, wenn sie eine neue, andere, bislang nicht beachtete oder gesehene Perspektive auf das in Frage stehende Problem eröffnet. Aber was tut das Zentrum für Politische Schönheit? Es folgt dem Reiz-Reaktions-Schema und antwortet völlig gleichlautend auf Höckes Provokation, macht also am Ende eine Superwerbung für ihn und die AfD.

Bleibt also die logistische Leistung zu bestaunen, wie es die Aktivisten hingekriegt haben, sich vor zehn Monaten nicht weiter bemerkt in Bornhagen einzumieten, in der direkten Nachbarschaft Höckes, von wo aus sie ihn seither über den von ihnen gegründeten „Zivilgesellschaftlichen Verfassungsschutz Thüringen“ ausspähen.

Tatsächlich muss man dazu schon Chapeau! sagen, wie sie es bewerkstelligten, die Stelen unbemerkt herbeizuschaffen und aufzustellen und am Mittwoch, als sie die „Außenstelle“ schließlich enthüllten, nicht nur per Crowdfunding innerhalb von vier Stunden die Kosten für das Spektakel von rund 30.000 Euro einzuwerben, sondern die Spenden bis Donnerstag auf erstaunliche 85.828 Euro aufzustocken.

Aber was hilft das, wenn das ZPS dem AfD-Hardliner Höcke nun einen Vorschlag macht, den er nicht ablehnen sollte (wie es so schön bei kriminellen Vereinigungen à la Mafia etc. heißt): Kniefall vor dem Denkmal wie einst Willy Brandt in Warschau, oder sie veröffentlichen das Material, das sie über ihn gesammelt haben. Tolle Vorlage für die gesammelte Rechte, die sich jetzt wieder aufplustert und aufmarschiert. Gleich am Mittwoch kam es zu Tumulten auf dem Gelände benachbarter Grundstücke. Die Polizei beobachtete 20 bis 25 Personen, nahm aber keine Personalien auf, weil sie dazu keinen Anlass sah. Das Zentrum für Politische Schönheit wiederum kritisiert, die Polizei habe den „Mob gewähren“ lassen und sich geweigert, das Denkmal zu schützen.

Aber mal ehrlich, was wäre das Denkmal wert ohne die rechte Randale? Ohne die rechten Trolle im Netz, die dafür sorgten, dass der YouTube-Kanal des ZPS am Mittwochnachmittag zwischenzeitlich gesperrt wurde – wegen angeblicher „schwerwiegender Verstöße“ gegen die Richtlinien der Plattform. Das Niveau, auf dem das Zentrum agiert, beschreibt ZPS-Aktivist Morius Enden gegenüber dem Spiegel so: „Gegen Nazis wenden wir Nazimethoden an.“