Die Morde von Mölln: Was am 23. November 1992 geschehen ist

Heute vor 25 Jahren warfen Rechtsradikale Brandsätze. Zwei Mädchen und ihre Großmutter starben. Die Täter wurden zu Haftstrafen verurteilt

Helmut Kohl kam nicht zur Trauerfeier – man wolle nicht in „Beileidstourismus“ verfallen

Von Gareth Joswig

Die Täter kamen kurz nach Mitternacht: In der Nacht zum Montag am 23. November 1992 setzten zwei Neonazis mit Molotowcocktails nacheinander zwei Wohnhäuser in Brand. Es waren die Häuser türkischer Familien im schleswig-holsteinischen Mölln. Sie waren als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen. Im ersten Haus verletzten sich sieben Menschen durch Rauchvergiftungen und Sprüngen aus dem Fenster schwer. Eine halbe Stunde später und nur wenige Straßen weiter gossen die Täter Benzin im Flur eines zweiten Wohnhauses aus und warfen auch hier Brandsätze. Dort lebte Familie Arslan.

Weil sich das Feuer im Eingangsbereich und Flur rasend schnell ausbreitete, war eine Flucht über das Treppenhaus unmöglich. Als sie den Brand bemerkten, retteten sich einige Familienmitglieder, darunter auch mehrere Kinder, durch Sprünge aus Fenstern im Ober- und Dachgeschoss. Sie erlitten neben Rauchvergiftungen zahlreiche Knochenbrüche.

Die damals 51-jährige Großmutter Bahide Arslan versuchte, ihre drei Enkelkinder Ibrahim und Yeliz Arslan sowie Ayse Yilmaz zu retten. Ibrahim, damals sieben Jahre alt, brachte sie in nasse Tücher gewickelt in die Küche. Dann wollte sie ihre anderen Enkelinnen aus dem Kinderzimmer retten – vergeblich. Die Großmutter erlitt eine Kohlenmonoxidvergiftung und schwere Verbrennungen. Sie brach im Treppenhaus zusammen. Ihre beiden Enkelinnen, zehn und vierzehn Jahre alt, verkrochen sich im Kinderzimmer unter ihren Decken – auch sie starben in Folge von schweren Rauchvergiftungen und erlitten tödliche Verbrennungen. Nur Ibrahim Arslan und dessen 84-jährige Urgroßmutter konnte die Feuerwehr retten.

Noch bevor die Löscharbeiten begannen, ging um 0.31 Uhr bei der Polizei ein Bekenneranruf ein: „In der Ratzeburger Straße brennt ein Haus! Heil Hitler!“ Wenig später klingelt es auch bei der Feuerwehr: „In der Mühlenstraße brennt ein Haus! Heil Hitler“, schrie ein Mann ins Telefon.

Die Täter waren die polizeibekannten Neonazis Michael P. und Lars C. Nach Ermittlungen der Bundesanwaltschaft verurteilte das schleswig-holsteinische Oberlandesgericht sie ein Jahr später wegen dreifachen Mordes und versuchten Mordes an sieben Menschen: Der 19-jährige C. bekam zehn Jahre Haft nach Jugendstrafrecht. Er saß davon sieben Jahre ab. Den 25-jährigen P. verurteilte das Gericht zu einer lebenslangen Haftstrafe, er durfte das Gefängnis nach fünfzehn Jahren wieder verlassen.

Über den Mordanschlag in der Kleinstadt berichteten Medien weltweit. Nur drei Monate nach dem Pogromen von Rostock-Lichtenhagen gab es nun Todesopfer rechter Gewalt im wiedervereinigten Deutschland – diesmal war der Schauplatz rechter Gewalt allerdings Westdeutschland.

In Mölln gingen noch am Tag der Tat 6.500 Menschen bei einem Schweigemarsch auf die Straße und legten Kränze vor den Häusern nieder, bundesweit gab es Lichterketten.

Helmut Kohl, der damalige Bundeskanzler, nahm an der Trauerfeier nicht teil. Zur Begründung hieß es, man wolle nicht in „Beileidstourismus“ verfallen.