heute in bremen
: „Der Fußball ist nun mal ungerecht“

Foto: privat

Alexander Feuerherdt, (48) ist freier Publizist aus Köln. Neben der Jüdischen Allgemeinen, der Jungle World und der Konkret schreibt Feuerherdt für seinen Blog Lizas Welt.

taz: Alex Feuerherdt, Sie sind Fan von Bayern München, einem Verein der seit 1900 existiert. Ist die Tradition von Fußballvereinen durch den Kunstverein RB Leipzig in Gefahr?

Alex Feuerherdt: Nein. Wenn man sich die Geschichte des Fußballs anschaut, muss man die Frage stellen, wann Tradition beginnt. Der FC Liverpool beispielsweise wurde vor 125 Jahren von einem Brauereibesitzer gegründet. Brauereien waren damals große Förderer des Fußballs, um damit Geld zu verdienen.

Taugt der Red-Bull-Werbeverein RB Leipzig nicht als Symbol für die Unterordnung von Fußball unter Profitinteressen?

Die meisten Vereine sind mittlerweile Konzerne. Sie verkaufen die Ware Fußball, dafür brauchen sie Kunden. Diese Kundschaft besteht aus Fans, die in einer romantischen Vorstellung davon ausgehen, der eigentliche Zweck sei das Fußballspiel und nicht die Kapitalakkumulation. Es gibt keinen Unterschied zwischen Werbeverein und Kapitalgesellschaft.

Sie sagen, die verbreitete Kritik an RB Leipzig entspringe dem Wunsch nach einem „fragwürdigen Idyll“. Was ist an der Sehnsucht nach Fußball ohne Kommerz falsch?

Fußball ist nach einem kapitalistischen Ideal des fairen Wettbewerbs geschaffen worden. Viele Fans tun so, als wäre dieses Ideal jemals Wirklichkeit gewesen. Aber der Fußball ist nun mal so ungerecht wie der Rest der Welt.

Und an der Diskrepanz zwischen Ideal und Wirklichkeit entzündet sich die Wut der Fans?

Ein Beispiel hierfür ist Borussia Dortmund – ein börsennotierter Verein. Gerade von diesen Fans kommen die wütendsten Reaktionen gegenüber Leipzig. Letzte Saison haben Borussia-Fans gar auf RB-Fans eingeprügelt. Der wütende Fußballfan will den Fußball nicht reformieren. Er erklärt verantwortliche Personen für schuldig und schlägt deren Beseitigung vor.

Vortrag „RB Leipzig – Der Untergang des Fußballs?“ im Rahmen der Bremer Aktionswochen gegen Antisemitismus. 19 Uhr, Ostkurvensaal, Weserstadion

Sie sprechen im Rahmen der Aktionswochen gegen Antisemitismus. Was hat die Verunglimpfung von RB als „Rattenball“ oder „Bullenseuche“ mit Antisemitismus zu tun?

Die Entmenschlichung des Feindes als Schädling war Bestandteil nationalsozialistischer Ideologie. Das findet sich auch in den Protesten gegen den RB: 2015 wurde Leipzigs Bus von Heidenheimern mit gefälschten Dollarscheinen beworfen. Auf denen war Red-Bull-Mitgründer Mateschitz mit Hakennase und dem Spruch „In Capitalism he trusts“ abgebildet. Hier kommt regressiver Antikapitalismus, Antisemitismus und Antiamerikanismus zusammen.

Interview Dominik Koos