Nachspiel für Stadtpark-Konzert: Freikarten bringen Stein ins Rollen
100 Freikarten für die Rolling Stones gingen an die Genehmigungsbehörde. Nun durchsuchte die Polizei das Bezirksamt. Der Vorwurf: Bestechung
HAMBURG taz | „Kein Kommentar“. Alle Beteiligten schweigen unter Hinweis auf das laufende staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren. In diesem geht es um Bestechung, Bestechlichkeit und Vorteilsnahme – und vor allem um 100 Freikarten für das Rolling-Stones-Konzert am 9. September im Stadtpark. Freikarten im Wert von je 100 bis 200 Euro, die der Konzertveranstalter FSK Skorpio dem Bezirksamt Nord zur Verfügung gestellt hat. Der Stelle also, die das Konzert genehmigte, nachdem die Stadtparkwiese jahrzehntelang für alle Groß-Events tabu war. Doch bei dem Mega-Gig der Stones lief das Genehmigungsverfahren wie geschmiert.
Mittwoch durchsuchten Staatsanwaltschaft und Polizei aufgrund einer anonymen Anzeige die Räume des Bezirksamtes und des Konzertveranstalters. Sie stellten Unterlagen und Dateien sicher, mit dem Ziel, eine Liste aller Behördenangestellten und Bezirkspolitiker zu erstellen, die Tickets für die Stones erhalten haben. Ihnen droht nun ein Straf- und ein Disziplinarverfahren.
Behördeninterne Regelungen und Bundesgesetze verbieten die Annahme von Geschenken, die über den Wert eines Plastikkugelschreibers hinausgehen. So heißt es in Paragraf 42 des Beamtenstatusgesetzes: „Beamtinnen und Beamte dürfen, (…) keine Belohnungen, Geschenke oder sonstigen Vorteile für sich oder eine dritte Person in Bezug auf ihr Amt fordern, sich versprechen lassen oder annehmen.“ Weiter steht in der Regelung: Ausnahmen bedürften der Zustimmung des Dienstherrn.
Genau so eine Ausnahmeregelung soll Bezirksamtschef Harald Rösler (SPD) erteilt haben, bevor er Karten handverlesen weiter verteilen ließ. Doch die Voraussetzungen für eine solche Ausnahme sind eng begrenzt. Die Finanzbehörde, die die Aufsicht über die Bezirksämter hat, droht deshalb bereits damit, „nach Abschluss der laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft“ dienstrechtliche Konsequenzen zu ziehen.
„Es wird eng für Rösler“, sagt ein Mitarbeiter der Finanzbehörde. Möglicherweise auch deshalb, weil sich der SPD-Mann als Bauernopfer eignet: Seine sechsjährige Amtszeit endet ohnehin im kommenden Sommer. Harald Rösler ist dann 68 Jahre alt.
Für den Konzertveranstalter FKP-Skorpio ist de Ausgabe der Freitickets hingegen ein „absolut normales Prozedere“. Er sieht darin die Möglichkeit, der Genehmigungsbehörde Arbeitskarten zur Verfügung zu stellen, damit sie die Einhaltung aller behördlichen Auflagen vor Ort überwachen könne. „Wir hatten keine Absicht, irgendjemand zu umgarnen“, sagt FKP-Skorpio-Sprecherin Mara Horstmann.
Fakt aber ist: 28 Jahre war es keinem Konzertveranstalter gelungen, die Genehmigung für ein Konzert auf der Stadtparkwiese zu erhalten. Zuletzt spielte dort 1989 Pink Floyd, davor 1987 David Bowie. „Dieses Konzert ist eine ausgesprochen große Ausnahme“, hatte auch Bezirkschef Rösler betont. Dass er dafür eine Ausnahmeregelung für die Annahme von Freikarten kreierte, ist da beinahe logisch.
Leser*innenkommentare
Wahrheitundklarheit
Lieber Herr Carini,
warum gehen Sie mit Herrn Rösler so hart ins Gericht ?
Was erwarten Sie ( und wir ) denn von einem Bezirksamtsleiter, der seine " Karriere "
als 15 jähriger Jugendlicher mit Realschul“reife“ im Bezirksamt Hamburg Nord begonnen hat und dort nach mehr als fünfzig Jahren immer noch tätig ist ?
Etwa die vertieften Kenntnisse eines Juristen im Straf- und Beamtenrecht ?
Kleine Leute - selbst in hohen Positionen - sind eben auch für Kleinigkeiten dankbar.
Das nennt man Bescheidenheit.