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: Auch der Liebling der französischen Ökos macht Atom-Kompromisse

Wo ein Wille, da auch ein Weg? Bei Frankreichs Atomausstieg hapert es wohl an beidem. Sogar Nicolas Hulot, Frankreichs Umweltminister, Hoffnungsträger der Naturschützer und Atomgegner, ist vom geplanten Weg abgekommen: Nach einer Kabinettssitzung am Dienstag gab er bekannt, dass die Regierung Frankreichs mehr Zeit einplane, um den Atom-Anteil an der Stromproduktion des Landes auf 50 Prozent zu senken. „Wenn man am Datum 2025 festhalten will (…), wird das zum Nachteil unserer Klimaziele geschehen“, sagte Hulot.

Er stützt sich dabei auf einen Bericht der Energiewirtschaft: Frankreich habe zu wenig in die Wind- und Sonnenenergie investiert, die Wasserkraft sei kaum ausbaufähig. Kohle- oder Gaskraftwerke hingegen könnten AKWs nicht ersetzen, wenn Frankreich weiterhin seine Klimaziele einhalten wolle. So sei es beim gegenwärtigen Energieverbrauch nicht denkbar und sozialpolitisch nicht verantwortbar, die erforderlichen 24 Reaktoren vom Netz zu nehmen.

Das klingt alles realpolitisch, ist aber vor allem das Eingeständnis eines peinlichen Versagens der Staatsführung. Auch die Vorgängerregierung, in der Frankreichs heutiger Präsident Emmanuel Macron zwei Jahre lang als Wirtschaftsminister wirkte, hat nichts getan, um mit rechtzeitiger Förderung der erneuerbaren Energien die gesteckten politischen Ziele zu erreichen. Wo kein Wille besteht, fehlen logischerweise die Mittel zu deren Umsetzung.

In der Klemme steckt nun Hulot. Dabei sollte sein Eintritt in die Regierung der sichtbare Beweis dafür sein, dass Präsident Macron Ernst machen würde mit seinen Wahlversprechen in den Bereichen Energiewende, Klimawandel und Naturschutz. Hulot war als Filmemacher, Journalist und Umweltschützer einer der populärsten Menschen Frankreichs. Er war überzeugt, als Regierungsmitglied viel bewirken zu können. Jetzt muss er faule Kompromisse eingehen, wenn er nicht zurücktreten will.

Entsprechend groß ist die Enttäuschung in Umweltschützerkeisen. Sogar Hulots eigene Stiftung kritisiert das Verhalten der Regierung in der Atomfrage. Greenpeace Frankreich beschuldigt Hulot, ein Eigentor erzielt zu haben.

Wer soll dieser Regierung noch glauben? Hulot sagt, die erste Etappe beim atomaren Abbau werde ja bloß von 2025 auf 2030 verschoben. Er selbst wird dann wohl nicht mehr Minister sein, denn sein Image als glaubwürdiger Umweltpolitiker hat er bereits nach sechs Monaten Amtszeit weitgehend verspielt.

Rudolf Balmer, Paris