Robert Forster über „The Go-Betweens“: „Als Hinterwäldler wahrgenommen“

In „Grant & Ich“ schreibt Robert Forster über seine Band „The Go-Betweens“. Damit setzt der australische Künstler seinem verstorbenen Musikerkollegen ein Denkmal.

Ein Mann spielt Gitarre und singt in ein Mikrofon

Robert Forster: „Ich brauchte Regeln, gegen die ich arbeiten konnte“ Foto: Imago/Stefan M Prager

Robert Forster (60) gründete 1977 in Brisbane, Australien, mit Grant McLennan die Go-Betweens. Bis zu ihrer Auflösung 1989 hatten sie mit Songs wie „Cattle and Cane“ von dem Album „Before Hollywood“ (1983) Indie-Hits. In den Neunzigern lebte Forster nahe Regensburg und nahm, wie McLennan auch, einige Solo­alben auf. Nach der Wiedervereinigung der Go-Betweens im Jahr 2000 teilten sich Forster und McLennan das Songwriting. Am 6. Mai 2006 starb McLennan an einem Herzinfarkt. In seinem Buch „Grant & Ich“ erzählt Forster die Geschichte der Band und setzt seinem Freund ein liebevolles Denkmal.

taz: Robert Forster, Sie schrei­ben, dass Sie schon als Jugendlicher keinen bürgerlichen Beruf ergreifen wollten. Am ehesten habe Sie noch das Friseurhandwerk gereizt, weil der Fön so natürlich in der Hand liege wie die Gitarre. Wie war das bei Ihrem Bandpartner Grant?

Robert Forster: Ich traf ihn mit 18, wir waren an der Uni in Geisteswissenschaften eingeschrieben und belegten Kurse in Literatur, Geschichte und Psychologie. Heutzutage geht man zur Uni, um schnell einen Job zu bekommen, wir gingen zur Uni, um bloß keinen Job machen zu müssen. Wir wollten einfach lernen, abhängen und Leute treffen. Grant hatte umfassendes Filmwissen. Er wollte Regisseur werden oder zumindest Kritiker. Wir dachten, das mit der Band wäre nach zwei Jahren vorbei.

Der Premierminister von Queensland, dem Bundesstaat, dessen Hauptstadt Brisbane ist, war damals der ultrarechte Johannes Bjelke-Petersen. Welche Auswirkungen hatte dessen Law-&-Order-Politik auf die Kulturszene?

Fast alle Kreativen sind geflohen. Du konntest in Queensland zwar etwas starten, wer weiterkommen wollte, musste spätestens mit 23 nach Sydney, Melbourne oder gleich nach London. In Queensland gab es keinerlei Freiräume.

Kunst galt als überflüssig?

Ja. Heute mag das schwer nachvollziehbar klingen, Queensland war damals extrem christlich und gleichzeitig korrupt. Faschistoid ist zu viel gesagt, aber die Polizei in Brisbane hatte seltsam aussehende junge Leute wie uns auf dem Kieker. Punkrock war deshalb auch politischer als in Melbourne und Sydney, wir erlebten einen Albtraum. Kurioserweise wurden wir in anderen Landesteilen nur als dumpfe Hinterwäldler wahrgenommen.

Die Kolonialmacht England schob ihre Verbrecher nach Australien ab, das Land wurde von Outlaws bevölkert. Spielt das im kulturellen Bewusstsein noch eine Rolle?

Das Vermächtnis davon ist, dass es in Australien kein Klassensystem gibt wie in England. Wer in Australien kein Geld hat, geht entspannter damit um, niemand fühlt sich genötigt, etwas vorzutäuschen. Und die Reichen schicken ihre Kinder auf normale Schulen. Es ist informeller, etwas rebellischer, eine egalitäre Gesellschaft. Australien ist inzwischen auch ein multikulturelles Land, mit viel Migration aus Asien und anderen Teilen der Welt.

„Grant & Ich. Die Go-Betweens und die Geschichte einer außergewöhnlichen Freundschaft“. Aus dem Englischen von Maik Brüggemeyer, Heyne Verlag, München, 2017, 368 S., 22 Euro

Live 5. 11. Hamburg, Nachtasyl, 6. 11. Berlin, Kulturbrauerei, 7. 11. Frankfurt, Brotfabrik, 9. 11. Regensburg, Buchhandlung Dombrowsky, 10. 11. Köln, King Georg, 11. 11. Reutlingen, Vitamin

Sie wollten berühmt werden und erwägten die „Hollywoodversion des Ruhms“, bekundeten aber auch Interesse an Abkürzungen. Nach Hollywood haben Sie es bisher nicht geschafft, was ist mit den Abkürzungen?

(lacht) Grant und ich waren beide Träumer. Als wir anfingen, hatte ich einige Songs komponiert, und Grant lernte, Bass zu spielen. Nach sechs Wochen hatten wir unseren ersten Auftritt, nach dem zweiten nahmen wir die Debütsingle auf. Wir haben nie wöchentlich in Pubs gespielt oder wie die Beatles über Jahre auf der Reeperbahn. Bei uns passierten Dinge immer sehr schnell, die fühlten sich wie Abkürzungen an.

Restriktionen, die Sie in der Schule erfuhren, waren der Entwicklung ihres „subversiven Temperaments“ zuträglich. Die Freiheit an der Uni bekam Ihnen nicht. Wie gingen Sie damit als freischaffender Künstler um?

Ich brauchte Regeln, gegen die ich arbeiten konnte. Freiheit zu tun, was ich will, ist nicht wirklich meine Tasse Tee. So war es auch beim Verfassen meines Buchs, es ist eine Musikerbiografie, das ist der Bezugsrahmen. Wenn ich das System kenne, kann ich es modulieren und mit seinen Regeln spielen.

War das auch so, als Sie 2005 anfingen, für das australische Musikmagazin The Monthly als Kolumnist zu schreiben?

Die wollten keinen gelernten Rockjournalisten, sondern jemanden aus einem anderen Zusammenhang. So kamen sie auf mich. 2013 habe ich damit aufgehört. Es war aber eine tolle Vorbereitung auf „Grant & Ich“.

Haben Sie sich beim Schreiben von „Grant & Ich“ auf Tagebucheinträge gestützt?

Nein, ich habe mich auf mein Gedächtnis verlassen: Wenn ich mich an etwas erinnere, wird es wichtig für mich gewesen sein. Von unserem ersten Auftritt hatte ich eine romantischere Vorstellung: Ich dachte, wir wären spontan auf die Bühne gegangen. Ein Foto, das uns mit eigenen Instrumenten zeigt, beweist, dass wir vorbereitet waren.

Was kommt als Nächstes?

Ich werde ausgiebig mit meiner Frau Karin auf Reisen gehen. 2018 kommt ein neues Soloalbum und ich schreibe an einem neuen Buch. Ich bin nicht in Eile.

Worum geht es?

Es hat mit der Musikbranche zu tun und spielt Mitte der Neunziger, bevor es Mobiltelefone gab. Die erschwerte Kommunikation eröffnet plotmäßig wunderbare Möglichkeiten.

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