Kommentar Kreisgebietsreform: Offen für Neues

Die Kreisgebietsreform in Brandenburg ist abgeblasen. Jetzt muss die rot-rote Koalition eine Reform der Reform auf den Weg bringen.

Ein Fluss an einem Wegesrand

Wie die ländliche Gegend verwalten? Das ist die Frage Foto: imago/blickwinkel

Einen Tag nach dem Reformationstag bläst Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sein größtes Reformvorhaben ab: die Neuordnung der Landkreise. Damit verzichtet ein ostdeutsches Bundesland auf eine Kreisgebietsreform, die Verwaltungen effizienter machen sollte. Auch Woidkes Koalitionspartner, die Linkspartei, trägt den Abbruch der Reform mit. Sie begründet dies damit, dass Demokratie ohne Brechstange auskommen müsse – ein wahres Wort.

Dass es auch in ländlichen Regionen zu gelten hat, die befürchten, weiter abgehängt zu werden, hat die rot-rote Koalition in Potsdam nun endlich begriffen. Spät, aber nicht zu spät. Jetzt muss die Koalition eine Reform der Reform auf den Weg bringen und die drängenden Probleme Brandenburgs lösen.

Für den Sinneswandel der Koalition waren drei Faktoren entscheidend: ein von der CDU initiiertes Volksbegehren gegen die Reform, der massive Widerstand von Kommunalpolitikern jeder Couleur und das katastrophale Ergebnis der Bundestagswahl in Brandenburg. SPD und Linkspartei verloren hier mehr als 5 Prozentpunkte, die AfD wurde mit gut 20 Prozent zweitstärkste Kraft hinter der CDU. Rund zwei Jahre vor der nächsten Landtagswahl in Brandenburg will sich die Ko­ali­tion der Verlierer kein weiteres Projekt ans Bein binden, das bei vielen Bürgern und Bürgerinnen verhasst und anderen gleichgültig ist.

Die, die es ablehnen, haben vor allem Angst davor, dass sich der Staat weiter aus der Fläche zurückzieht: geschlossene Schulen, Krankenhäuser, Polizeistationen, weniger Nahverkehr, marode Straßen, weite Entfernung zu Behörden in der Kreisstadt. Diese Angst, teilweise von der AfD mit Verweis auf Millionenzahlungen für Flüchtlinge befeuert, beruht auch auf Erfahrungen der Vergangenheit, in der der ländliche Raum zurückfiel. Dabei ist die Furcht nicht immer berechtigt. Eine effizientere Verwaltung – Kreisämter können auch wohnortnahe Außenstellen haben – nützt den Bürgern, wenn sie gute Leistungen erbringt und dennoch Mittel für andere Dinge frei werden.

Brandenburg sollte nun eine Verwaltungsreform starten, die die Interessen der Menschen in den Blick nimmt. Das ist nicht leicht, denn Brandenburg muss zwei Herausforderungen gleichzeitig bewältigen: starkes Wachstum im Berliner Umland und harte Schrumpfung an der Peripherie. Die Wünsche nach guten Lebensbedingungen sind aber hier wie dort gleich: Arbeit, Wohnen, Bildung, Mobilität, Sicherheit, Gesundheit, Umwelt, Internet. Wenn die Regierung in Potsdam hier überzeugende Antworten findet, braucht sie die AfD nicht zu fürchten. Das gilt auch für Jamaika.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.