Keine Solidarität mit illegalen Kindern

Bonn bleibt bei der harten Linie gegen Menschen ohne Papiere. Die Initiative MediNetz scheitert mit dem Versuch, die Meldepflicht von „Illegalen“ auszusetzen. Für Kritiker ein Skandal – Menschenrechte seien wichtiger als der Rechtsstaat

BONN taz ■ Die Bonner Initiative „MediNetz“ ist mit ihrem Antrag „Solidarität mit illegalen Kindern“ im Bürgerausschuss der Stadt gescheitert. Darin wird die Stadt Bonn aufgefordert, von ihrer harten Linie gegen Menschen ohne Papiere abzurücken, und die Träger von Schulen und Kindergärten darüber zu informieren, dass sie nicht dazu verpflichtet sind, Nachweise zum aufenthaltsrechtlichen Status von Kindern zu verlangen. Außerdem sollte die Bildung eines Fonds angeregt werden, aus dessen Mitteln „illegale“ Kinder medizinisch versorgt werden können.

Hintergrund des Antrags war die Verschärfung der behördlichen Meldepflicht in der ehemaligen Bundeshauptstadt. Anfang des Jahres hatte die Stadt Kindergarten- und Schulträger aufgefordert, sich bei der Anmeldung von Kindern Pässe und Meldebestätigungen vorzeigen zu lassen. Kenntnisse über illegalen Aufenthalt sollten an die Ausländerbehörde weitergeleitet werden.

Auslöser war der Druck der Staatsanwaltschaft, die gegen Mitarbeiter des städtischen Jugendamts ermittelt. Ihnen wird vorgeworfen, „Illegale“ gedeckt zu haben. „MediNetz“, die „Medizinische Vermittlungsstelle für Flüchtlinge, MigrantInnen und Menschen ohne Papiere“ protestierte gegen diese „Aufforderung zur Denunziation“ und initiierte den „Aufruf zur Solidarität mit „illegalen“ Kindern“. In Folge der amtlichen Anweisung ist es vorgekommen, dass Kinder „Illegaler“ von Schulen abgewiesen worden sind, oder von ihren Eltern nicht mehr in den Kindergarten geschickt werden, berichtet Sigrid Becker-Wirth von „MediNetz“. 2.208 BürgerInnen hätten den Solidaritätsaufruf bislang unterschrieben, weiß Becker-Wirth.

Der Ausschuss lehnte – gegen die Stimmen der Grünen – den Antrag mit großer Mehrheit ab. Die Begründung war immer die gleiche: Zwar „gehen wir in der Analyse der Situation und unseren Intentionen nicht auseinander“, druckste SPD-Mann Gerd Heidemann herum – aber: „Die Mitarbeiter haben nun mal eine Treuepflicht“. Soll heißen, dass die städtischen Angestellten an die Vorgaben des Ausländerrechts gebunden sind. Wenn sie „Illegalen“ helfen, machen sie sich strafbar.

Mit der „Fürsorgepflicht“ für die Angestellten begründet denn auch das Rechtsamt maßgeblich die Ablehnung des Antrags. Zwischen der „rechtlichen und menschlichen Frage muss man trennen“, hieß es dazu von der CDU. Und aus ihren Prioritäten machte auch die Kandidatin des Wahlbündnis Bürgerblock keinen Hehl: „Ich habe den Unrechtsstaat noch erlebt und bin heilfroh, in einem Rechtsstaat zu leben“, so die Ratsfrau Christa Tupetz. „Es ist mir nicht möglich, den Rechtsstaat wegen der armen Kinder zu umgehen“.

An den „Unrechtsstaat“ fühlte sich auch der Publizist Siegfried Pater angesichts derartiger Obrigkeitshörigkeit erinnert: „In Deutschland gilt immer noch Ordnungsrecht vor Menschenrecht“, klagte Pater, der in seinem jüngst erschienen Buch „Menschen ohne Papiere“ die Lebenssituation „Illegaler“ im Bonner Raum schildert (taz berichtete). Mit der Haltung, dass die Einhaltung von Gesetzen höher gestellt wird als elementare Menschenrechte, hinke Deutschland europaweit hinterher, so Pater. Auch Becker-Wirth war empört: „Das ist ein Skandal, wenn die Politiker sich lieber an Gesetze klammern, statt nach ihrem Gewissen zu urteilen“. MARTIN OCHMANN