Den Gegner im Visier

Monika Peters beobachtet für die CDU die Auftritte der konkurrierenden Partei-Prominenz. Doch anders als in anderen Landesverbänden nimmt kaum jemand in ihrer Partei ihre Berichte zur Kenntnis

bremen taz ■ Der Saal in der Schwankhalle ist schwarz, und die junge Frau in den Freizeitklamotten, die sich so nett mit der Grünen-Spitzenkandidatin unterhält ist es auch – politisch. CDU-Mitarbeiterin Monika Peters schleicht sich in Veranstaltungen gegnerischer Parteien, schreibt darüber Berichte und Analysen. Gegnerbeobachtung heißt das. Am Dienstag ist die 29-Jährige bei den Grünen und berichtet über den Auftritt von Umweltminister Jürgen Trittin.

Monika Peters ist unverkrampft, offen und rheinisch-fröhlich. „Ich notiere, was für eine Stimmung im Saal ist, wann die Leute applaudieren und vor allem, was sie über uns sagen“, erklärt sie. An diesem Abend hat die CDU-Frau viel zu notieren, denn Jürgen Trittin ist auf Krawall gebürstet. Mit Ironie und Witz haut der Umweltminister den politischen Gegner in die Pfanne. Stoiber sei frustriert, nur die CDU-Vorsitzende habe noch hängendere Mundwinkel. Statt Mehrwertsteuer sagt Trittin „Merkelsteuer“ und verkneift sich auch keine Anekdötchen in eigener Sache. Vor ein paar Jahren habe man an keine Tankstelle fahren können, ohne dass ein CDU-Funktionär hinter der Zapfsäule hervorgesprungen sei, sich den Zapfhahn an den Kopf gehalten und gebrüllt hätte: „Keine Ökosteuer“. Nun spreche in der Union keiner mehr davon, weil die Christdemokraten eingesehen hätten, dass man die Steuer brauche, um den Kostenfaktor Arbeit zu entlasten. „Ja, schönen guten Morgen, Frau Merkel“, ruft Trittin, die Leute klatschen – und Monika Peters rollt die Augen, schreibt aber fleißig mit.

Sie hat sie alle schon gesehen in diesem Wahlkampf: Renate Künast, Joschka Fischer, Wolfgang Gerhardt, gestern war sie bei Gerhard Schröder. „Die Stimmung bei Trittin ist gut“, sagt sie und schaut sich um. Rund 200 Köpfe im Saal, schätzt sie, Altersstruktur zwischen 30 und 40, nicht nur klassische Grünen-WählerInnen. Trittin versuche die Menschen zu überzeugen, anders als Fischer. „Der war zu bissig“, sagt Peters. Der Spitzenkandidat habe die Ängste der Leute geschürt, ihnen weisgemacht, dass, wenn sie nicht grün wählten, bald die große Flutkatastrophe auch über Bremen hereinbreche. Solche persönlichen Anmerkungen und Interpretationen setzt die CDU-Frau, die sonst als wissenschaftliche Referentin für Wirtschaft, Finanzen und Bau zuständig ist, in ihre Texte.

Bei Wahlkampfterminen werde sie häufig von Mitarbeitern anderer Parteien erkannt, manche begrüßten sie schon mit Handschlag, sagt sie. Dennoch versucht sich Monika Peters nicht sofort zu erkennen zu geben. Sie spricht mit Gästen der Veranstaltung, um ein Stimmungsbild zu gewinnen.

Was mit ihren Berichten passiert, weiß die junge Frau nicht. Zwei bis drei Seiten schreibt sie nach jeder Veranstaltung, Landes- und Fraktionsgeschäftsführer bekommen die Texte, die leiten sie an die Parteizentrale weiter. „Ob die Dinger in den Papierkorb wandern oder Angela Merkel sie liest – keine Ahnung“, sagt Monika Peters. „Die Wahlkampfbeobachtung dient zur Orientierung“, sagt CDU-Sprecher Michael Ihly, eine richtige Auswertung gebe es „in dem Sinne nicht“.

In größeren Landesverbänden beschäftigen sich ganze Teams mit dem Auftritt der gegnerischen Parteien, suchen nach Schwach- und Angriffspunkten, um die eigenen Leute zu munitionieren. Es werden Zitate gesammelt, die den Gegen-KandidatInnen später vorgehalten werden können.

In der Bremer CDU geht es beschaulicher zu. Jürgen Trittin ist in seiner Rede bei Merkels Finanzexperten Bodo Kirchhof angekommen. Der habe ein Familienbild, das selbst zur Zeit von Alt-Kanzler Konrad Adenauer nicht in die CDU gepasst habe. Kirchhof wolle Neo-Konservatismus wie Margret Thatcher.

„Der lässt aber auch gar nichts aus“, murmelt Monika Peters. Sie schnauft, unterdrückt ein Gähnen und schreibt gar nicht mehr mit. Als Trittin nach einer Stunde fertig ist, klatscht sie artig mit. Beeindruckt hat sie der Umweltminister vor allem rhetorisch, überzeugt ist sie aber nicht. Ihren Bericht wird sie schreiben wie immer. Ob ihn jemand liest, ist unklar. Kay Müller