Menschenrechtler in Istanbul vor Gericht

In der Türkei hat der Prozess gegen den Deutschen Peter Steudtner sowie elf weitere Aktivisten begonnen. Ihnen wird vorgeworfen, Terrororganisationen zu unterstützen

Menschenrechtsaktivisten am Mittwoch vor dem Justizpalast in Istanbul Foto: Osman Orsal/reuters

Von Gülten Sari

Am Mittwoch hat in Istanbul die erste Anhörung im Büyükada-Prozess gegen elf Menschenrechtsaktivisten begonnen. Darunter sind die Direktorin der türkischen Sektion von Amnesty International, İdil Eser, und der deutsche Staatsbürger Peter Steudtner. Der Vorwurf: Unterstützung einer bewaffneten Terrororganisation.

Während eines Seminars zu Datensicherheit und Stressmanagement auf der Istanbul vorgelagerten Insel Büyükada, hatte die türkische Polizei das Treffen gestürmt und Personen festgenommen. Einer von ihnen, Taner Kılıç, der türkische Vorsitzende von Amnesty International, sieht sich mit dem Vorwurf konfrontiert, Mitglied in einer Terrororganisation zu sein. Allen anderen wird in der Anklageschrift darüber hinaus vorgeworfen, „gewaltsame Ereignisse“ geplant zu haben. Die Anklageschrift stützt sich auf die Aussagen von Dolmetschern, die an dem Seminar teilnahmen.

Der deutsche Menschenrechtler Peter Steudtner forderte am Mittwoch in seiner etwa einstündigen Anhörung die „sofortige und bedingungslose Freilassung“. „Der Vorwurf, eine Terrororganisation zu unterstützen, ist ein schwerwiegender Vorwurf“, sagte er vor Gericht. Die Anklageschrift lege keinerlei Beweise für eine Verbindung zwischen ihm und einer terroristischen Organisationen vor. „Ich habe niemals eine terroristische Gruppe unterstützt. Als jemand, der sich gegen Gewalt einsetzt, widerspricht das meiner Persönlichkeit“.

Zu Beginn seiner Verteidigungsrede stellte Steudtner sich und seine Arbeit vor. Seit dem Jahr 2000 arbeite er im Bereich der Menschenrechte, Friedensarbeit und Gewaltlosigkeit in verschiedenen Ländern, darunter Mosambik und Südafrika, Angola, Kenia, Nepal, Myan­mar und Palästina. „Nie zuvor habe ich mit türkischen Organisationen zusammengearbeitet.“

Nach seiner Festnahme hätten die Polizisten abstruse Anschuldigungen gemacht: „Sie haben mir vorgeworfen, verschiedenen Terrororganisationen anzugehören.“

Die Festnahme selbst beschreibt Steudtner als „unmenschlich“. Bis Mitternacht habe ihn niemand in der Polizeistation in Büyükada über den Grund der Festnahme informiert, niemand habe ihn über das Recht, seine Aussage zu verweigern, aufgeklärt.

Zu den Terrororganisationen, die er laut Anklageschrift unterstützen soll, sagte der deutsche Menschenrechtler: „Die Namen PKK und FETÖ hatte ich zuvor in den Nachrichten gehört. Die Namen der anderen Organisationen habe ich erst nach meiner Verhaftung gehört.“ In seiner Verteidigungsrede kritisierte Steudtner auch die türkischen Behörden: „Trotz unserer Anfragen hat die türkische Justiz nichts dafür getan, um meine Rechte zu schützen.“

Fall Deniz Yücel Die Türkei hat den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte um eine Fristverlängerung im Fall des inhaftierten Journalisten Deniz Yücel gebeten. Die Regierung habe um weitere sechs Wochen Zeit für ihre Stellungnahme zur Beschwerde des deutschen Welt-Korrespondenten gebeten, teilte eine Gerichtssprecherin am Mittwoch in Straßburg mit. Das Gericht entschied, der Türkei eine Fristverlängerung von drei Wochen zu gewähren. Dies wurde auch der deutschen Bundesregierung mitgeteilt, die ebenfalls eine Stellungnahme abgeben kann.

Neben internationalen Medien beobachteten auch Politiker und Menschenrechtler die Verhandlung vor Ort, darunter Markus Beeko, Generalsekretär der deutschen Amnesty-Sektion. Er sagte gegenüber der taz: „Der Prozess und das ganze Verfahren bekommen einen absurden Charakter. Menschen, die sich schon seit vielen Jahrzehnten für Frieden, Menschenrechte und Gerechtigkeit einsetzen, werden wegen ihrer Arbeit mit dem Terrorvorwurf konfrontiert“.

Als die türkische Amnesty-Direktorin İdil Eser angehört wurde, erhielt sie am Ende ihrer Aussage im Gerichtssaal großen Applaus: „Ich habe niemals in meinem Leben etwas getan, das ich bereuen würde. Ich habe immer für die Menschenrechte gearbeitet.“

Bei Redaktionsschluss war die Anhörung der restlichen Angeklagten noch nicht beendet.