heute in hamburg
: „Nicht per se kurdisch“

Foto: privat

Esra Özban, 29, ist in der Jury der Filmtage und koordiniert das Pink Life Queer Fest in Ankara.

taz: Frau Özban, warum sollte man sich „Veşartî“ nicht entgehen lassen?

Esra Özban: Es ist ein Film, den man so noch nie gesehen hat. Er ist absolut einzigartig und auf mehreren Ebenen interessant. Zum einen auf technischer und ästhetischer Ebene, zum anderen die Geschichte. Sehr mehrschichtig und ungewohnt.

Inwiefern?

Im Film sieht man zum Beispiel nie die Person, die gerade spricht, sondern nur die, die zuhört. Das ist zunächst verwirrend und man muss sich erst daran gewöhnen. Außerdem handelt es sich um einen sehr politischen Film, aber nicht, wie man es von einem kurdischen Film erwartet.

Was unterscheidet den Film von anderen kurdischen Filmen?

Viele Leute erwarten, dass kurdische Filme sich mit dem Kurdenkonflikt beschäftigen. In „Veşartî“ geht es aber nicht um den Konflikt. Der Regisseur Ali Kemal Cinar nimmt eher feministische Perspektiven ein, dekonstruiert seine eigenen männlichen Privilegien. Er beschäftigt sich viel damit, Normen aufzubrechen, und mit Themen wie Geschlechterkonvention und Familie.

Worum geht es in dem Film?

Es geht um einen Mann, der einen Kiosk besitzt. Er heißt Ali Kemal, wie der Regisseur. Der spielt auch die Hauptrolle. Eines Tages kommt eine Frau zu ihm und sagt ihm, dass er bald eine Frau sein werde. Der Mann führt jedoch ein ziemlich heterosexuelles Leben und will bald seine Frau heiraten. Die Prophezeiung stürzt ihn und seine Familie also in einen Konflikt. Die Geschichte ist eine Referenz auf die kurdische Sage „Mem und Zin“.

Die Zuschauer*innen verfolgen also seine Verwandlung zu einer Frau?

Nicht direkt. Eher seine Gedanken und die Konflikte, die jetzt entstehen, seinen Umgang mit der zukünftigen Situation, die Reaktion seiner Familie und die Frage, was aus der Beziehung zu seiner Frau wird. Es geht viel darum, zu verhandeln, was männlich und was weiblich ist.

Gibt der Film einen Einblick in Debatten über Männlichkeit in Kurdistan?

Das würde ich so nicht sagen. Das Thema ist nicht kurdisch per sé, sondern es werden generelle, gesellschaftliche Fragen aufgeworfen: Wie gehen wir mit Geschlecht um, wie mit sexueller Orientierung? Der Film geht über klassische LGBTQI-Themen hinaus und betrifft uns alle.

Interview: Katharina Kücke

Kino „Veşartî | Hidden“ (kurdisch mit türk. und engl. Untertiteln), im Rahmen der Lesbisch Schwulen Filmtage: 17.15 Uhr, Passage Kino, Mönckebergstraße 17