heute in bremen
: „Eine neue Welle des Faschismus“

Foto: Eismann/assoziation-a

Lutz Taufer, 73, Ex-RAF-Terrorist, 1999 nach 18 Jahren Haft entlassen, arbeitet heute im Vorstand des Weltfriedensdienstes.

taz: Herr Taufer, Ihr neues Buch heißt „Über Grenzen“. Welche Grenzen meinen Sie?

Lutz Taufer: In meinem Buch spreche ich von vielen verschiedenen Grenzen. Wenn man etwas verändern will in der Welt, muss man Gewohntes hinter sich lassen. Dazu gehört auch das Überschreiten von Grenzen.

Wie etwa der bewaffnetet Kampf für die RAF?

Nein, wir hätten dieses Grenze damals nicht überschreiten dürfen. Während des Kommandos Holger Meins haben wir zwei Geiseln erschossen, und das steht im diametralen Gegensatz zu jedem emanzipatorischen Anspruch. Das demokratische System in Deutschland kam mir damals sehr instabil vor. Der Genozid in Vietnam, der Kalte Krieg und die atomare Aufrüstung empfand ich als eine neue Welle des Faschismus. Wir glaubten, den herrschenden Verhältnissen mit dem bewaffneten Kampf etwas entgegensetzen zu können.

Was beinhaltet für Sie politisches Handeln heute?

Es beinhaltet für mich den Mut, etwas Neues auszuprobieren. Durch meine Arbeit für den Weltfriedensdienst beschäftigen mich heute vor allem die Folgen von Globalisierung, wie beispielsweise die Zerstörung lokaler Wirtschaften in Ländern des globalen Südens. Eine Folge kann Armut und Flucht sein. In der 68er-Bewegung gab es für internationale Problemfelder eine große Solidarität. Diese Solidarität ist in Zeiten der Globalisierung weniger geworden.

Wie kam es zur Entscheidung, für den Weltfriedensdienst zu arbeiten?

Der Weltfriedensdienst arbeitet in der Entwicklungszusammenarbeit. Die RAF hat versucht, mit gewaltsamen Methoden kapitalistische Strukturen zu zerschlagen. Heute glaube ich daran, dass wir auch im atlantischen Westen Arbeits- und Lebensbedingungen schaffen müssen, die attraktiver sind als die kapitalistischen. Wenn den Profiteuren des Kapitalismus irgendwann die Fälle weg schwimmen, kann es gut sein, dass es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommt. An Gewalt als Methode glaube ich allerdings nicht mehr.

Lesung und Dis­kussion „Über Grenzen – vom Untergrund in die Favela“: 19.30 Uhr, Paradox, Bernhardstr. 12,

Sondern?

Die Linke von heute befindet sich oft in einem Zustand der einfachen Negation. Wir müssen es schaffen, wieder Neues zu konstruieren.

Interview Paula Högermeyer