Ende der Ausbeutung von Billigarbeitern?

Millionen ArbeiterInnen aus Osteuropa schuften in der EU für Dumpinglöhne. Schuld ist die Entsenderichtlinie. Die will die EU nach 20 Jahren endlich ändern

In Deutschland arbeiten Polen 14 Stunden täglich in der Fleischverarbeitung Foto: imago

Von Eric Bonse, Brüssel

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit: Theoretisch sollte dieses Prinzip in der EU längst gelten. Doch für rund 2 Millionen Polen, Bulgaren oder Rumänen, die außerhalb ihrer Heimat arbeiten, steht es nur auf dem Papier. Für die „entsandten“ Arbeitnehmer gelten Sonderregeln, die Lohndumping und Ausbeutung ermöglichen.

Damit soll nun Schluss sein, fordert das Europaparlament. Am Montag will der Beschäftigungsausschuss eine Reform der sogenannten Entsenderichtlinie auf den Weg bringen, die seit 1997 den „Entsandten“ nur den Lohn ihrer Heimatländer zusichert.

Dies habe zu „kriminellen Machenschaften und Missbrauch“ geführt, kritisiert Terry Reintke von den Grünen. Als Beispiel nennt sie rumänische Arbeiter, die in einer Schiffswerft in Duisburg für einen Hungerlohn schufteten und am Ende überhaupt keinen Lohn mehr bekamen. Skandalös sei auch die Lage der polnischen Packer, die in Oldenburg bis zu 14 Stunden täglich Fleisch einwickeln.

Um diese Auswüchse zu beenden, wollen die EU-Abgeordneten nun neue Sicherungen in die alte Richtlinie einbauen. Die Novellen beruhen auf einem Entwurf der EU-Kommission von März 2016 und zielen darauf ab, dass ortsüblichen Löhne für entsandte Arbeiter aller Branchen verbindlich werden, also auch Mindestlöhne. Bisher galt dies nur im Baugewerbe.

Außerdem sollen die entsandten Arbeitnehmer künftig auch Anspruch auf Urlaubsgeld, Prämien und andere Lohnbestandteile erhalten, was auf deutlich mehr Geld in der Lohntüte hinausläuft. Zudem sollen Kosten, die bei einer Entsendung anfallen – für die Anreise oder die Unterbringung – nicht mehr, wie bisher üblich, vom Lohn abgezogen werden.

Neben den Grünen setzen sich auch Sozialdemokraten, Linke und Gewerkschaften für die Reform ein. Unklar ist die Haltung von FDP und Union. „Die Wirtschaftsliberalen mauern konsequent“, kritisiert der SPD-Europaabgeordnete Jens Geier. Die Christsozialen seien „offenbar noch unentschieden, auf welche Seite sie sich schlagen.“

„Die Wirtschafts-liberalen mauern konsequent“

Rückenwind bekommen die Reformer aus Frankreich. Dort setzt sich Präsident Emmanuel Macron für eine Revision der Entsenderichtlinie ein. Frankreich hat schon nach der EU-Osterweiterung 2004 über die „polnischen Klempner“ geklagt. Zuletzt sorgten vor allem Dumpinglöhne auf deutschen Schlachthöfen für Ärger, weil sie aus Pariser Sicht den Wettbewerb verzerren.

Bei seinem Feldzug für eine Reform kümmert sich Macron allerdings nicht um die Details. Der Franzose wirft Polen stattdessen vor, sich von Europa zu isolieren. Polen, das EU-weit die größte Zahl von Arbeitnehmern entsendet, „kann nicht das Land sein, das Europa die Richtung vorgibt“, sagte Macron.

Dahinter steht ein Machtkampf im Ministerrat, der die geplante Reform ebenfalls absegnen muss. Frankreich drückt aufs Tempo, Polen und andere osteuropäische Länder stehen seit Monaten auf der Bremse. Sie fürchten, dass ihre Betriebe die Westlöhne nicht mehr zahlen können und das lukrative Geschäft mit der Entsendung billiger Arbeitskräfte zusammenbricht.