Endlich wieder
wirkliche Testspiele

Mit einem mühelosen 3:1 gegen Nordirland qualifiziert sich die DFB-Elf für die WM und freut sich nun auf ernsthafte Gegner

Leichte Flugübung: Der Weg nach Russland ist auch für Joshua Kimmich kein Problem Foto: dpa

Aus Belfast Ralf Sotscheck

Die direkte Qualifikation für die Fußball-Weltmeisterschaft im kommenden Jahr in Russland ist geschafft. Aber daran gab es ohnehin keinen Zweifel. Für eine Einschätzung der deutschen Mannschaft taugt das 3:1 in Belfast gegen Nordirland am Donnerstagabend aber nicht. Es war doch sehr fußgängerhaft, was die Nordiren boten. Ihre Offensive fand praktisch nicht statt, und wäre das deutsche Team wegen der mangelnden Gegenwehr nicht nachlässig geworden, wäre das Gegentor nicht gefallen.

Selbst mit Marc-André ter Stegens Opa im deutschen Tor hätten die Nordiren nicht besser abgeschnitten. Woher soll die Qualität auch kommen? Die Vereine der englischen Premier League schwimmen im Geld, sie kaufen fertige Spieler im Ausland ein und verschwenden keine Zeit auf die Ausbildung des Nachwuchses. So kommen gerade mal vier Spieler Nordirlands aus der Premier League, und keiner davon aus einem Top-Verein. Der Rest spielt in den unteren Ligen oder in Schottland.

Umso erstaunlicher ist es, dass Nordirland den zweiten Gruppenplatz schon vor dem Spiel sicher hatte. Josh Magennis' Tor in letzter Sekunde könnte noch wichtig werden. Nur die besten acht der neun Gruppenzweiten spielen die letzten vier europäischen WM-Plätze unter sich aus, und da könnte das Torverhältnis entscheiden.

Ein nordirischer Reporter wollte von Bundestrainer Joachim Löw wissen, ob er die nordirische Mannschaft für stark genung hält, bei den Play-offs gegen Portugal oder Italien zu bestehen. Es sei bemerkenswert, was ein kleines Land mit nicht mal zwei Millionen Einwohnern geleistet habe, antwortete Löw höflich. Nordirland sei ein defensives Schwergewicht. „Und mit der Einstellung und Mentalität ist die Mannschaft für jeden Gegner gefährlich“, meinte Löw. Sein nordirischer Kollege Michael O’Neill sagte: „Eins kann man zumindest über Spiele gegen Deutschland sagen: Das nächste Spiel scheint immer wesentlich einfacher, gegen wen man auch spielt.“

Sandro Wagner, der in seinem vierten Länderspiel sein viertes Tor geschossen hat, erklärte: „Es hat heute Spaß gemacht. Die nordirischen Fans haben selbst beim Stand von 0:3 noch gesungen.“ Beim Ehrentor gab es kein Halten mehr, obwohl überall im Stadion Schilder mahnen: „Die Fans müssen während des gesamten Spiels sitzen bleiben.“

Nordirland will mit der Kampagne „Fußball für alle“ die Zeit vergessen machen, als für den katholisch-nationalistischen Bevölkerungsteil der Besuch des Stadions zu einem gefährlichen Abenteuer werden konnte. Das Stadion liegt im Village, einem Viertel, in dem protestantische Terrororganisationen herrschen. Der Weg führte früher durch schmale Gassen mit anti-katholischen Wandgemälden. Voriges Jahr hat man das Stadion modernisiert und den Eingang verlegt, so dass man nicht mehr durchs Village muss.

„Eins kann man zumindest über Spiele gegen Deutschland sagen: Das nächste Spiel scheint immer wesentlich einfacher“

Nur die Nationalhymne schreckt katholisch-nationalistische Besucher noch ab. Während die anderen drei Mannschaften des Vereinigten Königreichs längst „God Save The Queen“ durch eigene, länderspezifische Hymnen ersetzt haben, halten die Nordiren daran fest.

Abwehrchef Mats Hummels sagte, es war kein einfaches Spiel, weil die Nordiren „nur hinten drin standen“. Er erklärte das deutsche Team zum Mitfavoriten in Russland, schränkte aber ein, dass man in der Qualifikation keine großen Gegner hatte. Die wirklichen Tests kommen erst im November mit Freundschaftsspielen gegen England und Frankreich, fügte Löw hinzu.

Auf die Frage, ob man die Qualifikation nun in einem Belfaster Pub feiern würde, antwortete er: „Das wäre nicht professionell. Wir haben heute das getan, was wir tun mussten.“ Am Sonntag stehe in Kaiserslautern gegen Aserbaidschan ein weiteres Spiel an, und man wolle die Qualifikationsrunde mit weißer Weste abschließen. „Die Spieler dürfen sich freuen“, sagte er. „Aber das war’s.“