Richtig leben – mit Fehlstarts

Die Gründerin des Berliner „Unverpackt“-Ladens hat ein Buch über ihren Weg geschrieben. Über ein Leben ohne Verpackungen und Müll. Milena Glimbovski liefert gute Ideen für Nachahmer

Sie gönnt ihren Leser*innen ausdrücklich den Flug in den Urlaub

Von Lalon Sander

Im „Zentrum für zirkuläre Ökonomie“, einer ehemaligen Fabrikhalle in Neukölln, ist es kalt. Die Menschen, die sich hier am Mittwochabend versammelt haben, sind deshalb gut verpackt, in Pullover, Jacken und Schals – was einigermaßen ironisch ist, denn es soll hier um müllfreies Leben gehen, um Einkaufen ohne Verpackungen. Vorne sitzt Milena Glimbovski, die ein Buch darüber geschrieben hat, über ihren Weg in die Verpackungsfreiheit mit all seinen Rückschlägen. „Man muss nicht immer alles gleich richtig machen“, sagt sie immer wieder.

Das Motto ist erstaunlich, denn Glimbovskis Biografie liest sich eher wie eine Aneinanderreihung von Leistungen. Mit 22 hat sie einen verpackungsfreien Supermarkt gegründet, dafür eine Crowdfunding-Kampagne geführt, ist inzwischen in Medien weltweit als der „erste verpackungsfreie Supermarkt“ Deutschlands gefeiert worden und hat angeblich über 50 Nachahmer inspiriert. Und jetzt, mit 27 Jahren, ein Buch geschrieben.

Glimbovski ist die Geschäftsführerin von „Original Unverpackt“, einem kleinen Einzelhandelsladen in Kreuzberg, in dem von Obst und Gemüse über Joghurt und Milch bis Nudeln und Müsli ohne Verpackungen zu kaufen sind. Kund*innen lassen ihre Behälter am Eingang wiegen und füllen sich diese mit ihren Einkäufen auf. Auf das verpackungsfreie Einkaufen folgte in Glimbovskis Leben der Versuch, ganz auf Müll zu verzichten.

Mit Stoffbeutel einkaufen!

In ihrem Buch „Ohne Wenn und Abfall“ lernt man mit Glimbovski. An vielen Stellen ist es sehr schlicht, wie eine Checkliste, die die Vorzüge von Biolebens­mitteln aufzählt, an anderen ­offensichtlich biografisch.

Trotz vieler Selbermach-Rezepte für Haferdrinks bis Shampoo ist es keine erschöpfende Anleitung für das müllfreie Leben, aber es liefert viele gute Ideen, um mit dem Müllvermeiden anzufangen. Glimbovski zählt mehrere Methoden auf, wie man die eigene Wohnung ausmistet und dann möglichst müllfrei einrichtet. Vieles ist auch gar nicht so revolutionär: mit Stoffbeutel einkaufen gehen, unverpackt gekauftes Essen in Gläsern lagern, Teeeier statt Teebeutel verwenden.

„Ich will den Leuten nicht vorschreiben, welche Gurke sie kaufen“, sagt Glimbovski während ihrer Lesung. Es gehe ihr auch nicht darum, dass Menschen sofort auf sämtlichen Müll verzichten, sondern dass schon einiges gewonnen sei, wenn viele Menschen ein bisschen weniger Müll erzeugten. Das Buch ist deshalb auch kompromissbereiter als der Titel klingt: Im Teil zum Reisen, gönnt sie ihren Leser*innen ausdrücklich den Flug in den Urlaub.

Das Buch erzählt auch die weniger erfolgreichen Geschichten hinter der Gründung von „Original Unverpackt“ und die Schattenseiten ihres eigenen Ehrgeizes. Sie hat, wie sie selbst beschreibt, in den letzten Jahren, wenig geschlafen, wenig Geld gehabt und viel gearbeitet. Sie hat steile Lernkurven hinter sich – zum Beispiel von Hygiene­vorschriften – und tragikomische Pannen, wie einen Filialleiter, der in Plastik verpackte Himbeeren auspacken und in Schalen verkaufen ließ. Und sie hat eine knappe Pleite hinter sich, bei der sie die Hälfte ihrer Angestellten entlassen musste, weil sie ihre Buchhaltung nicht im Griff hatte.

„Jetzt geht es dem Laden gut“, sagt Glimbovski. Sie suche jetzt Investoren und Geld, um eigene unverpackte Produkte herzustellen und diese an die anderen Unverpackt-Läden in Deutschland zu vermarkten. Gerade vergangene Woche ist sie in der Investment-Fernsehshow „Die Höhle der Löwen“ gescheitert, wo sie sich um 250.000 Euro bewarb.

Der Auftritt hat sich aber trotzdem gelohnt, als PR: „Wir bekommen gerade ganz viel Post.“ Die Erfolgserzählung sollte also weitergehen.