Der Trick mit der Geschäftsordnung

Der AfDler Glaser will Bundestagsvizepräsident werden. Dass es so kommt, ist unwahrscheinlich

Die AfD-Fraktion wird sich für den Posten des Bundestagsvizepräsidenten voraussichtlich einen neuen Kandidaten suchen müssen. Führende PolitikerInnen von SPD, Linken, Grünen und FDP haben angekündigt, den AfD-Kandidaten Albrecht Glaser nicht zu wählen. Die AfD kündigte an, an Glaser festhalten zu wollen.

Glaser hatte im Frühjahr auf einer AfD-Veranstaltung gefordert, dass man Muslimen das Recht auf freie Religionsausübung „entziehen“ müsse, weil der Islam „dort, wo er das Sagen hat, jede Form von Reli­gions­freiheit im Keim erstickt“. Im Grundgesetz jedoch ist die freie Ausübung jeder Religion geschützt, sie gehört zu den sogenannten Grundrechten. Das dürfte der erfahrene Politiker Glaser wissen, er war jahrzehntelang Mitglied der CDU und in den 90er Jahren Stadtkämmerer in Frankfurt am Main.

Theoretisch könnte die strittige Personalie gelöst werden, indem der Bundestag die Geschäftsordnung des Hauses ändert und die Zahl der Vizepräsidenten reduziert. Seit 1994 steht jeder Fraktion „mindestens ein Vizepräsident oder eine Vizepräsidentin im Präsidium“ zu. Vorher gab es diese Regelung nicht, und sie könnte jederzeit wieder geändert werden. Dem erteilte Rüdiger Petz, Sprecher der SPD-Fraktion, gegenüber der taz eine Absage. „Wir wollen der AfD nicht die Opferrolle ermöglichen. Die Fraktion soll gleiche Rechte und gleiche Pflichten haben.“

Selbst wenn man die Geschäftsordnung ändern würde, wäre es schwer zu begründen, warum ausgerechnet die AfD-Fraktion keinen Posten im Bundestagspräsidium bekommen sollte. Die AfD bildet nach der Union und der SPD die drittgrößte Fraktion. Das wahrscheinlichste Szenario dürfte sein, dass die AfD an Glaser auch nach mehreren gescheiterten Wahlgängen festhält und den Posten notfalls für unbestimmte Zeit vakant lässt.

Die Situation erinnert an das Jahr 2005 und den damaligen Kandidaten der PDS, Lothar Bisky. Er trat vier Mal an und fiel jedes Mal durch. Ein halbes Jahr später schließlich gab die PDS auf und stellte die Abgeordnete Petra Pau auf. Pau ist bis heute Vizepräsidentin des Bundestags.

Gunnar Hinck