Kommentar von Susanne Memarnia
über den Mangel an Pflegekräften
: Eine gute Gelegenheit, gute Arbeit zu fördern

Für viele ist Pflege immer noch etwas für schlichte Gemüter

Es gibt in Berlin einen eklatanten Mangel an Pflegekräften für Kliniken, Heime und ambulante Pflege. Hand aufs Herz: Wundert das jemanden? Wer will sich diesen Job antun bei der schlechten Bezahlung, dem Stress und dem nach wie vor miesen Prestige? Für viele ist Pflege doch immer noch etwas für schlichte Gemüter, die nichts „Besseres“ auf die Reihe bekommen. Nach dem Motto: Po abwischen, Essen servieren und Tabletten anreichen kann eigentlich jeder.

Ähnliche Abwertungen gibt es in anderen sozialen Berufen. Etwa: Erzieher. Auch sie werden händeringend gesucht, auch hier gehen schlechte Bezahlung, schlechtes Image und viel Stress Hand in Hand – und verstärken sich gegenseitig. Beides sind Berufe, die absolut notwendig sind für das Zusammenleben – für die aber in einer durchkapitalisierten Welt niemand mehr als bisher bezahlen möchte.

Gut ablesen lässt sich das am aktuellen Streik der Pflegekräfte an der Charité. Grade ist er kurz ausgesetzt, weil die Arbeitgeber ein wenig Gesprächsbereitschaft gezeigt haben. Aber das Grundproblem ist nach wie vor: Die PflegerInnen fordern feste Quoten, wie viele Patienten sie zu versorgen haben und was zu tun ist, wenn ein/e KollegIn krank ist. Damit es eben nicht mehr passiert, dass zum Beispiel eine Nachtschwester mit 40 PatientInnen auf zwei Stationen alleine ist. Denn wer, wieder Hand aufs Herz, könnte einen solchen Alltag 40 Jahre bis zur Rente durchstehen?

Für die Arbeitgeberseite, bei der Charité also das Land Berlin, gilt das als unbezahlbar. Auch ein Krankenhaus muss heutzutage Gewinn abwerfen, was nicht leichter geworden ist durch das Fallpauschalensystem, nach dem die Krankenkassen „pro Blinddarm“ bezahlen, egal, wie der konkrete „Fall“ aussieht.

Trotzdem: Der rot-rot-grüne Senat hat es sich zur erklärten Aufgabe gemacht, „gute Arbeit“ zu fördern. Nun, da die Steuereinnahmen sprudeln, wäre eine gute Gelegenheit, das auch zu tun. Pflegende und kranke BerlinerInnen würden es ihm danken. Und wenn dann alle in die Charité pilgern, weil man dort so gut gepflegt wird, kommen vielleicht auch die anderen ins Grübeln.