Boommarkt Nachhilfe

Studie Der Marktist intransparent, zersplittert und wächst

Die beiden größten Anbieter, Studienkreis und Schüler­hilfe, decken zusammen erst 15 Prozent des Marktes ab

KÖLN taz | Nachhilfe boomt. Vier Milliarden Euro jährlich werden in Deutschland für Nachhilfe ausgegeben, Tendenz steigend. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung ergab 2016, dass zwei Drittel dieser Summe in einen schwer durchschaubaren „grauen Markt“ fließen. Bis zu 700.000 Menschen verdienen sich nach Schätzungen mit dem Unterrichten etwas dazu. Die hauptberuflich Tätigen beziffert der Bundesverband Nachhilfe- und Nachmittagsschulen auf rund 50.000.

Wichtigste Anbieter sind die Studienkreis-Gruppe mit Sitz in Bochum und die ZGS Bildungs-GmbH in Gelsenkirchen, die unter dem Label „Schülerhilfe“ auftritt. Der bereits 1974 gegründete Studienkreis gehörte zwischenzeitlich zur Franz Cornelsen Bildungsholding, inzwischen hat ihn der Münchner Finanzinvestor Aurelius übernommen. Unter dem neuen Dach sind knapp 1.000 Nachhilfeschulen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg zusammengefasst.

Schärfster Konkurrent ist die Schülerhilfe. Hinter dem altmodischen Namen verbirgt sich ein Konzern mit globaler Erfahrung. Die Schülerhilfe war lange eine Tochter des Sylvan Learning Center, des größten Nachhilfeanbieters in Nordamerika. Das US-Unternehmen gehört zur börsennotierten Weiterbildungsgruppe Educate. Inzwischen hat die Deutsche Beteiligungs-AG, die zu einem Viertel dem Drogeriekettenbesitzer Dirk Rossmann gehört, die Schülerhilfe übernommen. Diese betreibt rund 1.050 regionale Standorte in Deutschland und Österreich. Neben eigenen Filialen vergibt sie Lizenzen im Franchise-System an Subunternehmer.

Dennoch decken Studienkreis und Schülerhilfe zusammen erst 15 Prozent des Marktes ab. Den Rest teilen sich mittelgroße Bildungsdienstleister, lokal agierende Mini-Institute und Soloselbstständige. Die Preise schwanken zwischen zehn und 70 Euro pro Stunde. Teure Anbieter werben mit gezielter Vermittlung der richtigen Lehrkräfte und genauer Kontrolle des Lernerfolgs. Extras vor wichtigen Prüfungen und Ferienkurse mit Abenteuercharakter runden das Angebot ab. Mit den steuerfinanzierten Bildungsgutscheinen bei Flüchtlingskindern ist das Geschäft noch lukrativer geworden.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft lehnt das „kommerzielle Nebenschulsystem“ ab. Vorstand Ilka Hoffmann kritisiert die „schleichende Privatisierung“ einer öffentlichen Aufgabe. Mit verantwortlich für den Boom der Nachhilfe machen Experten auch das deutsche Halbtagssystem, das die Überwachung von Hausaufgaben ganz selbstverständlich an die Familien delegiert. Thomas Gesterkamp