Das sitzt!

BASKETBALL Mit Coaching-Legende Alejandro García Reneses, 70, will Alba Berlin die Teams aus Bamberg und München ärgern

„Es ist nicht so, dass er bei einem Fehler oder einem schlechten Wurf rumschreit.“ Aíto, wie er genannt wird, will an Details arbeiten Foto: imago

aus Berlin Christian Siepmann

Bei Alba Berlin geht es um die Details. „Er beschäftigt sich sehr mit Details“, sagt der neue Center Dennis Clifford. „Er kümmert sich auch um Details“, berichtet auch Aufbauspieler Peyton Siva. „Er ist sehr detailverliebt“, hat Neukapitän Niels Giffey beobachtet. Er – das ist der neue Trainer Alejandro García Reneses, genannt Aíto.

Der Spanier ist die wichtigste und prominenteste Neuverpflichtung des Sommers. Für Alba Berlin sowieso, für die am Freitag beginnende Basketball-Bundesliga womöglich auch. In seiner Heimat hat der heute 70-Jährige neun Meisterschaften und fünf Copa-del-Rey-Pokale gewonnen, zudem fünf europäische Klubtitel und mit der spanischen Nationalmannschaft 2008 Olympia-Silber. Die Bundesliga, die trotzig das Ziel ausgibt, 2020 die stärkste Liga Europas zu sein, bekommt nach dem Bamberger Trainer An­drea Trinchieri und Aleksandar Đorđević (Bayern München) mit Aíto nun also ihren dritten Coach, dessen Name auch international gut klingt.

Alba Berlin wiederum nennt im Zusammenhang mit Aíto noch ein paar andere wohlklingende Basketballnamen: Pau Gasol, Ricky Rubio oder Kristaps Porziņģis etwa. Nein, keiner dieser NBA-Spieler wechselt in die deutsche Hauptstadt, leider. Aber sie alle sind bei Aíto in die Basketballschule gegangen. Der Trainer wird als einzigartiger Förderer von Talenten beschrieben. Womit wir wieder bei den Alba-Spielern und den Details wären.

„Wir haben eine ganz klare Positionierung. Sie heißt: Wir wollen aus sehr guten Spielern Topspieler machen“, sagt Albas Manager Marco Baldi vor dem Saisonstart. Genau dabei soll Aíto, der einen Zweijahresvertrag unterschrieben hat, dem Klub helfen. Baldi beschreibt das ja gern ausführlich: Weil Berlin viel weniger Geld zur Verfügung stehe als den reichen Klubs aus Bamberg und München, könne Alba keine etablierten Topspieler verpflichten. Deshalb sei man darauf angewiesen, selbst junge Spieler auszubilden oder eben sehr gute Profis zu noch besseren zu machen.

Zum Zahlenwerk der Berliner gab es wie üblich keine absoluten Werte, doch der Etat für die Spieler ist nach Klubangaben um ein Viertel gewachsen, macht aber angeblich nur ein Drittel der Etats von München oder Bamberg aus. Klar benannte Baldi die Saisonziele: mindestens ­Playoff-Halbfinale in der Bundesliga, nächste Runde im Eurocup. So hatten Albas Ziele schon für die vergangene Saison geheißen, die dem achtmaligen Meister dann ja ziemlich misslang: Am Ende einer äußerst holprigen Vorrunde wurde der türkische Trainer Ahmet Çaki – auch er verpflichtet mit blumigen Worten und der Maßgabe, Spieler zu entwickeln – zwei Spiele vor Beginn der Playoffs entlassen. Die Berliner schieden dann in der ersten Playoff-Runde gegen Bayern aus. Die letzte Meisterschaft des einstigen Seriensiegers liegt neun Jahre zurück. In jenem Jahr, 2008, gewann übrigens auch Aíto seine bislang letzten Titel.

Kredit für Junge

Die Mannschaft, die er nun in Berlin anleiten soll, ist sehr jung. Power Forward Luke Sikma ist mit 28 der Älteste. Der US-Amerikaner kam vom Meister Valencia aus der derzeit stärksten europäischen Liga in Spanien. Dort war er ein Rollenspieler, bei Alba soll er nun mehr Verantwortung bekommen, der ideal­typische Fall eines sehr guten Spielers, der zum Topspieler werden soll. Stolz sind die Berliner darauf, dass drei aus ihrem Team das Dribbeln bei Alba lernten: Kapitän Niels Giffey, der 20-jährige Tim Schneider und der Rückkehrer Joshiko Saibou. Um den zwölften Platz im Profi­kader sollen zunächst sieben Nachwuchsspieler konkurrieren. Zu ihnen gehört auch Ferdinand Zylka, 19-jähriger Shooting Guard. Er sagt über Aíto: „Es ist nicht so, dass er bei einem Fehler oder einem schlechten Wurf rumschreit. Dadurch hat man auch als junger Spieler relativ viel Selbstvertrauen. Das hilft natürlich.“

Die Saisonvorbereitung bot dem Perspektivkader schon einmal viel Bühne, auch weil Profis von Verletzungen geplagt wurden. Die Ergebnisse waren entsprechend: sechs Niederlagen in acht Spielen. Die Alba-Verantwortlichen bereiten nun wortreich schon einmal auf einen holprigen Saisonstart vor.

Bayern und Bamberg sind den Berlinern schon seit Jahren enteilt. Die Franken verloren nun zwar gleich zwei Leistungsträger an die NBA (Daniel Theis und Darius Miller) und drei weitere an europäische Spitzenklubs, haben sich aber gut und teuer verstärkt. Und die Münchner mussten zwar ihren Kapitän Bryce Taylor nach Bamberg ziehen lassen und Maxi Kleber in die NBA, dafür hat Coach Đorđević in Stefan Jović endlich den Aufbauspieler, den er schon lange wollte. Dass es auch weniger namhaft besetzten Klubs gelingen kann, mit Geschlossenheit und Glück an der Spitze mitzuspielen, bewies in der vergangenen Saison Oldenburg mit seinem Vorstoß ins BBL-Finale, das sie gegen Bamberg verloren. An diesem Beispiel wird sich Alba mit Aíto messen müssen.

Über die Arbeit des Trainers sei dann ein letztes Detail verraten: Er arbeitet offenbar gern im Sitzen. Beim letzten Test gegen Bayreuth (73:77) stellte ein Assistent dem 70-Jährigen pünktlich zu jeder Auszeit einen Stuhl vor die Spielerbank. Die Kraft liegt ja bekanntlich in der Ruhe.