Ein Haus für neue Technologien: Welche Zukunft hat das Futurium?

Im „Haus der Zukunft“ stehen Zukunftsfragen im Mittelpunkt. Und es soll „radikal offen“ sein, verspricht der Futurium-Direktor Stefan Brandt.

Ein Roboter vor einer Wand mit Bildern

„Pepper“, der Roboter, erklärt den Besuchern im Futurium-Bau die Ausstellungsstücke Foto: dpa

BERLIN taz | Ohrenbetäubende Heavy Metal-Rhythmen wummerten über die Spree in Richtung Bundestag und Kanzleramt; die Politiker sind zum Glück im Wahlkampf. Die Töne sind unmenschlich: die Band besteht aus Robotern. In Berlin feiert das „Futurium“, das Haus der Zukunft zwischen Hauptbahnhof und Bundesforschungsministerium, seinen ersten Tag der offenen Tür, eigentlich nur eine Preview. Wie es sich gehört, ist der neue Zukunftsort seiner Zeit voraus: Die richtige Eröffnung steht erst im nächsten Jahr an, Vollbetrieb ab 2019, zusammen mit dem neuen Berliner Flughafen dann.

„Zukunft ist liquide“, sagt Stefan Brandt, der inzwischen zweite Direktor des Futuriums. Damit meint er die Gestaltbarkeit, die Offenheit von Zukunft, für die es – aus der Gegenwart gesehen – in der Regel mehrere Optionen gibt, „Zukünfte“. Brandt und sein Team wollen dies auch in der Organisation des Hauses umsetzen: „Wir sind Bühne, Labor und Museum“, sagt der 41-jährige Kulturmanager aus Hamburg. „Und wir wollen radikal offen sein“.

Ein spannendes Versprechen, ist das Futurium doch ein Seitentrieb aus dem Wissenschaftspark der gravitätischen Elfenbeintürme in Deutschland, wo die Kommunikation mit und die Einbeziehung der Gesellschaft bislang eher verhalten praktiziert wird.

Gründungsgesellschafter des Futuriums, förmlich einer gemeinnützigen GmbH, sind neben dem Bundesforschungsministerium (BMBF) acht Wissenschaftsorganisationen – wie die Max-Planck-Gesellschaft und die Nationalakademie Leopoldina – sowie sechs Industriekonzerne, darunter Siemens, BASF, Bayer und Infineon. Mitte September war, nach 18 Monaten Bauzeit, die Schlüsselübergabe des 58-Millionen-Euro-Neubaus, aus dem Bundeshaushalt finanziert.

Johanna Wanka, die inzwischen scheidende Bundesforschungsministerin, möchte am gesellschaftlichen Diskursklima arbeiten. „Bisher laufen in Deutschland die Debatten über Wissenschaft und Technik so: Risiken nach vorne, Chancen nach hinten“, stellt die Politikerin fest. Das Futurium sei dagegen „etwas völlig Neues: Ein Ort der Partizipation, der Teilhabe“. Zusammen mit der Gesellschaft, den Bürgern, solle „offen und auch streitbar diskutiert“ werden, welche Zukunftstechnologien gewünscht – oder auch abgelehnt werden.

Das soll in verschiedenen Formaten geschehen, die sich über das dreigeschossige Gebäude verteilen. Im Keller ist das „Futurium Lab“ untergebracht, eine Technikwerkstatt oder „Makerspace“, in der vor allem Jugendliche ihre Miniroboter produzieren können. Im Erdgeschoss werden im Veranstaltungsforum die kontroversen Debatten stattfinden, die am Premierentag – mit insgesamt 15.000 Besuchern – gut frequentiert waren. Am langwierigsten gestaltet sich die Arbeit an der Dauerausstellung im Obergeschoss. Das ursprüngliche Konzept des Futurium-Gründungsdirektors Reinhold Leinfelder mit fünf verschiedenen Zukunftsvarianten hat Nachfolger Brandt modifiziert und will nun drei große „Denkräume“ zu den Oberthemen Technik, Natur und Gesellschaft realisieren. „Die Ausstellung setzt sich zum Ziel“, erläutert Brandt, „das Publikum aktiv zu involvieren und zum Nachdenken und Handeln anzuregen.“

Der Themenkatalog

Mit welchen Zukunftsthemen sich das Futurium befassen will, davon gab der „OpenHouse“-Tag einen Eindruck. Neue sozialwissenschaftliche Studien zu gesellschaftlichen Zukunftserwartungen präsentierte die Berliner Soziologin Jutta Allmendinger; die Stadtplanung mit Bürgerbeteiligung und eine Mobilität ohne Auto waren weitere Themen. Der Einzug der Roboter in die Arbeitswelt, Ansätze für ein nachhaltiges Wirtschaftssystem jenseits des klassischen Wachstums oder der Meeresboden als Schatzkammer wurden ebenfalls behandelt.

Genau besehen, müsste „Welche ­Zukunft“ im ­Futurium aufgeführt werden, um von hier aus eine ­Ausstrahlung zum anderen ­politischen Ufer, den Bundestag zu haben

Einen Akzent setzte Eröffnungsredner Klaus Töpfer, Exumweltminister und Nachhaltigkeitsforscher, der dazu aufrief , sich gegen das „Diktat der Kurzfristigkeit“ in Politik und Wirtschaft zur Wehr zu setzen und die „Silo-Betrachtung der Probleme“ zu überwinden. Er umriss die Aufgaben des Anthropozäns, dem neuen Erdzeitalter mit dem Menschen als „quasi-geologische Kraft“. Töpfer: „Wir kippen in eine andere Dimension der Probleme hinein.“ Diese Dimension müsse „zum gesellschaftlichen Thema“ gemacht und die Bürger bei der Lösung einbezogen werden.

Wie politisch, wie radikal muss – und darf – das Futurium, mitten platziert im Berliner Regierungsviertel, bei der Diskussion dieser Fragen werden?

Szenenwechsel: Am gleichen Tag kommen im Deutschen Theater 250 Experten und Bürger zusammen, um unter dem Titel „Welche Zukunft?!“ einen ganz anderen, dystopischen Blick auf die kommenden Jahre zu werfen. Wenn die Klimaextreme zunehmen, es zu Welthungerepidemien und Völkerwanderungen kommt, der politische Extremismus wächst und die nächste Finanzkrise zuschlägt – wie konnte das geschehen und warum wurde nicht oder falsch gehandelt?

Im Wahlkampf kein Thema

So wird im Szenario eines fiktiven Untersuchungsausschusses des Jahres 2028 von Wirtschafts-, Umwelt- und Politikexperten überlegt. Das Deutsche Theater will zusammen mit dem Humboldt-Forum daraus ein Bühnenstück formen, das dem Zukunftsthema eine neue Erzählweise geben will. Genau besehen, müsste „Welche Zukunft“ im Futurium aufgeführt werden, um von hier aus eine Ausstrahlung zum anderen politischen Ufer, den Bundestag mit seinen Abgeordnetenbüros und die Kanzleramt-Regierungsmaschine zu haben. Wie dringend nötig eine solche Operation ist, hat der Bundestagswahlkampf 2017 gezeigt, in dem die großen Zukunftsthemen in den politischen Diskussionen so gut wie gar nicht aufgegriffen wurden.

Einzelne Ansätze wie der Wahlaufruf der Zukunftsinitiative D2030 oder die zehn Forderungen des „Generationenmanifest“ haben nur geringe öffentliche Aufmerksamkeit gefunden und sind im politischen Raum bisher nicht aufgegriffen worden. „Wir wollen ein Teilchenbeschleuniger für kreative Ideen sein“, sagt Futuriums-Chef Stefan Brandt. Kein unpassendes Bild, denn die Zukunftsdiskussion in Deutschland leidet unter einer eklatanten organisatorischen Atomisierung. Viele Einzelne sind zwar motiviert unterwegs, aber es fehlt an einer gesellschaftswirksamen Bündelung.

Als die „Tagesthemen“ der ARD drei Tage vor der Wahl noch einen Beitrag über das Politthema „Digitalisierung“ produzieren, klopfen sie auch im Futurium an. Stefan Brandt ist bereit für ein politisches Statement. „Ich glaube, es ist Zeit für eine neue Enquete-Kommission, in der überparteilich und mit Wissenschaftlern und der Zivilgesellschaft diskutiert wird, wie wir digitalen Wandel gestalten wollen“, empfiehlt er dem neuen Bundestag.

Klaus Töpfer hat bereits eine ähnliche neue Position. Er leitet das „Nationale Begleitgremium“, das bei der Suche nach einem Atommüllendlager, einem wirklichen Zukunftsprojekt, zwischen Öffentlichkeit und Politik vermitteln soll. Es wäre sicher nicht verkehrt, in den „Wünschespeicher“ des Futuriums die kreative Idee einzugeben: „Die Politik braucht ein nationales Begleitgremium für Zukunftsfragen.“

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