Sexistische Werbung in Berlin: Wodka mit Dekolleté

Der grün regierte Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg will Bikini-Plakate verbannen. Nun gibt es einen Leitfaden zum Umgang mit sexistischer Werbung.

Abfüllanlage für Bierflaschen

Wie bringt man Bier an den Kunden? Mit Werbung. Die muss aber nicht sexistisch sein … Foto: dpa

BERLIN taz | Es gibt ein lustiges Spiel. Es heißt Werbungraten. Ein Spot läuft – zum Beispiel im U-Bahnhof – und wer zuerst errät, wofür geworben wird, bekommt einen Punkt: Eine leicht bekleidete, gephotoshopte Frau räkelt sich auf dem Boden. Klar, Werbung für Unterwäsche. Oder nee, warte. Jetzt kommt eine Katze dazu. Ah, wahrscheinlich Katzenfutterwerbung. Moment: Jetzt macht sie per Fernbedienung die Rollläden runter. Aha, Werbung für einen Stromanbieter. Oder kommt noch was? Nein. Stromanbieter war’s. Warum braucht es dafür eine halbnackte Frau? Ganz einfach: Sex sells.

Dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ging das alles zu weit – die Initiative der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten des Bezirksamtes machte sich für ein Verbot sexistischer, diskriminierender und frauenfeindlicher Werbung auf Werbeflächen im öffentlichen Eigentum stark. Man reichte eine Forderung im Bezirksparlament ein, 2015 wurde das Verbot umgesetzt. Pankow zog ein Jahr später nach. Charlottenburg ist drauf und dran, und auch in Berlin-Mitte seien Planungen im Gange, einer solchen Form der Werbung einen Riegel vorzuschieben, weiß Petra Koch-Knöbel, die Gleichstellungsbeauftragte von Friedrichshain-Kreuzberg.

Sie ist es auch, die zusammen mit dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg nun einen Handlungsleitfaden im Umgang mit sexistischer Werbung entworfen hat. „Nach Detmolder Vorbild“, wie Sprecherin Sara Lühmann sagt. Dort gibt es bereits einen vergleichbaren Informationsleitfaden.

Auf 28 Seiten wird unter dem Slogan „Sexism shouldn’t sell“ ein Kriterienkatalog vorgestellt und Vorgehensweisen zur Bekämpfung aufgezeigt. So sei Werbung unter anderem dann sexistisch, wenn die Geschlechtergleichstellung infrage gestellt werde, stereotype Rollenbilder entstünden oder die Frau eine dekorative Funktion innehabe.

Rote Karte für SexistInnen

Wer meint, eines dieser Kriterien ausgemacht zu haben, könne sich beim Deutschen Werberat beschweren oder auch direkt beim Unternehmen oder der Werbeagentur. Dafür liefert der Handlungsleitfaden Muster und AnsprechpartnerInnen. Zudem stellt die Initiative ein Rote Karte bereit, die an Unternehmen verschickt werden kann, die missfallende Werbung verwenden. „Herzlichen Glückwunsch“, steht dort ironisch in roten Buchstaben. „Sie haben gerade mit Ihrer sexistischen, diskriminierenden und frauenfeindlichen Werbung eine Kundin verloren.“ Alle Materialien gibt es im Büro der Gleichstellungsbeauftragten und zum Download auf deren Internetseite.

Die grüne Bezirksbürgermeisterin Monika Hermann ist jedenfalls begeistert. Ansonsten sind die Lokalpolitiker in dieser Debatte aber gespalten. Momentan wird gestritten, ob ein Verbot in Charlottenburg durchgesetzt wird. SPD und Linke zeigen volle Unterstützung, FDP und CDU hingegen sehen andere Wichtigkeiten als Probleme mit sexistischer Werbung. „Wer die ernsten Probleme nicht lösen kann, sucht sich stattdessen neue“, so Simon Hertel von der CDU. Man habe auch schlicht nicht das Recht dazu, in den freien Werbemarkt einzugreifen, meint die Fraktion.

Und so passiert in den meisten Teilen Berlins noch nichts, wenn auf einer Plakatwand eine aufreizende Frau mit tiefem Ausschnitt, an der Bar stehend, abgebildet ist. Dazu der Satz „Auch Deine Frau kann so aussehen“. Na, wer errät, für was die Werbung ist? Genau, Wodka.

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