Sarah Wiener
Die Zutat
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Seine Zweige hingen fast bis zum Boden, seine Äste gaben ein schönes Bild und seine Früchte reiften über Wochen heran. Ein schwarzer Maulbeerbaum im Wiener Stadtpark war der absolute Lieblingsbaum meiner Kindheit – ein Wunder an Vielfalt und Schönheit.

Früher konnte man den Maulbeerbaum in Parks und Anlagen bewundern. Heute wird er an Straßen nicht mehr gern gepflanzt, weil die reifen Früchte von Anfang August bis Ende September den Boden einschwärzen. Vielleicht der Grund, warum sie auf Märkten oder in Läden kaum zu finden sind.

Ihr süß-herber Geschmack, dem die Säure und Bitterkeit einer Brombeere fehlt, ist einzigartig und wurde im alten Griechenland als Götterspeise verehrt. Ich verstehe das: Als Kind graste ich den ganzen Baum nach reifen Früchten ab und kam oft mit blauschwarzem Mund nach Hause. Auch heute kann ich an keinem reifen Maulbeerbaum vorbeigehen, obwohl sich der Geschmack der Früchte, die Größe (1 bis 5 cm!) und die Farbe (weiß, rot, schwarz) innerhalb der Sorte stark unterscheiden. Die weiße Maulbeere beispielsweise schmeckt nicht so intensiv, verträgt aber Frost besser als die schwarze.

Die Bäume können bis zu 15 Meter hoch werden, dafür brauchen sie gute Böden und einen windgeschützten Ort. Selbst das Holz wird hochgeschätzt, ist hart und robust und wird zur Herstellung von Musikinstrumenten verwendet. Einige Maulbeerbäume werden für die besonders edle Papierherstellung verwendet. Und es ist der Baum, der die Seidenraupen füttert.

In der (chinesischen) Medizin spielte die Frucht früher eine große Rolle. Sie soll gegen trockene Haut und graue Haare helfen, bei Diabetes und bei zu hohen Cholesterinwerten, sie gilt als entzündungshemmend, macht uns jünger und neutralisiert freie Radikale. Die Beeren enthalten pflanzliches Eiweiß, Zink, Eisen, Vitamin K, C und E und sind somit eine wahre Fundgrube an wichtigen Nährstoffen. Die Maulbeere ist ein Beispiel für die Bedeutung gesunder Ernährung: das Essen in vollen Zügen genießen.

Foto: picture alliance

Da die Maulbeere so fragil ist, verspeist man sie am besten pur oder verarbeitet sie schnell zu Saft, Mus oder Marmelade. Ich koche sie kurz ein und benutze das Kompott, um meine Mascarponecreme zu verfeinern oder mein Müsli aufzupeppen. Für unterwegs habe ich eine Schachtel getrocknete Maulbeeren dabei. Statt Bonbons. Schmeckt hundertmal besser.

Die Köchin Sarah Wiener stellt hier jeden Monat eine ihrer Lieblingszutaten vor.