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„Das ist Raubbau an unseren nachfolgenden Generationen“

Biodynamik Der Forschungsring e. V. untersucht die anthroposophischen Methoden in der Landwirtschaft. Geschäftsführer Uwe Geier über die seelische Wirkung von Lebensmitteln, eurhythmische Gesten und Magie-Vorwürfe

Uwe Geier

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52, Agraringenieur, hat seine Diplomarbeit über Biodynamik verfasst und ist derzeit Geschäftsführer des Forschungsrings e. V.

Interview Daniel Trommer

taz: Herr Geier, wie erklären Sie jemandem, der noch nie von biologisch-dynamischer Landwirtschaft gehört hat, was Ihr Forschungsring tut?

Uwe Geier: Wir sind eine private Forschungseinrichtung für den Öko-Landbau, wie auch andere. Was uns unterscheidet, ist, dass wir als Hintergrund den bio-dynamischen Landbau haben. Wir sehen uns primär als Dienstleister für Demeter-Landwirte und -Organisationen.Worin unterscheidet sich biologische von biologisch-dynamischer Landwirtschaft?Der bio-dynamische Landbau geht auf Rudolf Steiners „Landwirtschaftlichen Kurs“ zurück. Formal betrachtet: Wenn man mit der Demeter-Marke zertifiziert sein will, muss man sich deren Richtlinien unterwerfen. Wir sehen die Dinge mehr im Kontext, haben einen ganzheitlicheren Blick darauf. Das heißt zum Beispiel für den Bauern, dass ein Mindestbestand von Wiederkäuern, also Rindern oder auch Schafen, erforderlich ist.

Warum ausgerechnet Wiederkäuer?

Durch den guten Dünger der Wiederkäuer wird die Bodenfruchtbarkeit am besten erhalten. Das ist bei anderen Bio-Bauern nicht unbedingt so. Die kaufen auch mal Nährstoffe zu, werden damit systemoffener und der konventionellen Landwirtschaft ähnlicher. Wenn ich einmal Rudolf Steiner zitieren darf: „Es geht darum den Boden zu verlebendigen statt Pflanzen zu düngen.“

Die Zeitschrift „Neon“ hat bio-dynamische Landwirtschaft als magisch bezeichnet. Was halten Sie davon?

Das führt in die Irre. Die Bio-Dynamik gibt uns einen Hintergrund, ganzheitlicher auf Landwirtschaft, Natur, Lebensmittel zu schauen. Wir stellen andere Fragen. Was passiert zum Beispiel, wenn man den Dünger weglässt? Oder Biogas, das ist aus energiewirtschaftlichen Gründen sehr modern. Aber was macht das mit dem Boden? Wir verlieren Bodenfruchtbarkeit, und das ist eigentlich Raubbau an unseren nachfolgenden Generationen.

Würde es helfen, wenn ich meinen naturwissenschaftlich geprägten Verstand mal zurückdrängte?

Nein, ich sehe das überhaupt nicht als Gegensatz, eher als Ergänzung. Anthroposophische Präparate – eine Art Dünger – sind wie Homöopathie für Boden und Pflanze. Gerade im Weinbau ist Bio-Dynamik aktuell sehr angesagt. Viele Forschungen zeigen: Hups, da verändert sich was. „Magisch“ ist das allenfalls in dem Sinne, dass die Naturwissenschaft Mühe hat, eine Erklärung zu finden. Aber nicht in dem Sinne, dass es keine Phänomene gibt, die man belegen kann.Die Qualität von Demeter-Produkten kann man nachweisen. Aber dass es an den Präparaten liegt, muss man glauben.Nein, das mit dem Glauben muss ich zurückweisen. Ich bin Wissenschaftler. Wir haben gemeinsam mit der Uni Florenz Salatpflanzen untersucht. Beide haben Kompost bekommen, die eine mit Präparaten. Die Präparate haben die Lebensmittelqualität erhöht. Das ist wissenschaftlich publiziert.

Man könnte Ihnen vorwerfen: Sie als Forschungsinstitut glaubten an die Bio-Dynamik. Wie können sie die überhaupt objektiv erforschen?Es gibt natürlich überall in der Wissenschaft schwarze Schafe. Wir sammeln in unserem Newsletter, was weltweit dazu geforscht wird. Dass es Präparate-Wirkungen gibt, ist zweifelsfrei. Das sagen auch Menschen, die nicht Anthroposophen sind, weil sie einfach die wissenschaftliche Literatur kennen.

Ihr Jahresbericht erwähnt das Projekt „Einfluss eurythmischer Gesten auf Wasser“. Wie erforscht man das?

Eurythmische Gesten sind mit Gefühl und seelischer Beteiligung durchgeführte Bewegungen. Sie stehen in einer Verbindung zu den Lauten unserer Sprache, zum Beispiel A oder O. Bei dem Projekt war die Frage, wie man die Wirkung dieser Bewegungskunst nachweisen kann.

Wie muss ich mir das vorstellen?

Das Wasser ist zum Beispiel in einem Topf vor Ihnen, und dann machen Sie daneben Bewegungen, die eine Wirkung darauf haben.

Fließen da sozusagen unsichtbare magische Fäden zwischen Wasser und Bewegung?

Sie sprechen von einer spirituellen Dimension. Ja, wir Bio-Dynamiker können ganzheitlicher auf Phänomene gucken. Klar, aus naturwissenschaftlicher Perspektive kann da nichts sein. Das Wasser, neben dem die eurythmischen Bewegungen gemacht wurden, ist aber plötzlich anders als das Wasser, wo das nicht gemacht wurde. Da muss sich die Naturwissenschaft fragen, ob sie nicht etwas übersieht.

Die Veränderung des Wassers weisen Sie mit den anthroposophischen „bildschaffenden Methoden“ nach. Die sind aber umstritten. Ein externer Wissenschaftler könnte sagen: Diese Ergebnisse sagen gar nichts.

Richtig, so könnte man denken. Aber mit den Methoden, besonders der Kupferchloridkristallisation, kenne ich mich recht gut aus. Wir wissen, wie bei Kristallen Alterung oder Unreife aussehen. Die Artikel dazu werden mittlerweile in der wissenschaftlichen Szene akzeptiert. Man kann mit der Methode zum Beispiel Bio-Milch und konventionelle Milch vergleichen. Auf den einen Kupferchloridkristall wird Milch A gegeben und auf den anderen Milch B, jeweils in Wasser gelöst. Und die Kristalle reagieren dann unterschiedlich. Ein Bild A und ein Bild B entsteht, in denen man dann Reife und so weiter vergleichen kann.

Wird Ihr Forschungsring vom „normalen“ Wissenschaftsbetrieb angefeindet oder belächelt?

Nein, das nicht. Man hört einfach nicht viel. Schwierig ist auch die Finanzierung.

Wie finanzieren Sie sich?

Es gibt Stiftungen mit anthroposophischer Orientierung. Wir bekommen auch öffentliche Gelder.

Für welche Projekte bekommen sie öffentliche Gelder?

Wir haben zum Beispiel ein Projekt in Baden-Württemberg. Da geht es um Beratung. Wir bringen die Bauern zusammen, gucken, wer in puncto Nachhaltigkeit vorbildlich ist. Wir begleiten sie wissenschaftlich und versuchen, ihre Methoden zu standardisieren.

Was war ein großer Erfolg des Forschungsrings?

Wir konnten die Methode „Empathic Foodtest“ wissenschaftlich publizieren. Spätestens in zwei Jahren hören Sie davon.

Worum geht es da?

Es geht bei Lebensmitteln nicht nur um Geschmack und Inhaltsstoffe. Es gibt auch eine seelische Wirkung. Bei Kaffee und Alkohol ist die offensichtlich. Aber Brot A und Brot B haben auch eine, nur feiner.

Und Demeter-Produkte machen weniger unruhig als andere?

So einfach ist die Welt nicht. Aber sogar ungeschulte Menschen können Einflüsse nachweisen. Zum Beispiel macht es einen Unterschied, ob Wasser im Glas oder in der Plastikflasche war.

Mir schmeckt Cola aus der Glasflasche besser.

Ja, das kann sein. Und wir haben jetzt aus der Beobachtung solcher Effekte eine wissenschaftliche Methode gemacht. Die Publikation ist öffentlich zugänglich.

Wie sind Sie zum Forschungsring gekommen?

In meiner Diplomarbeit habe ich mich mit Biodynamik beschäftigt. Die Frage, ob Präparate wirklich wirken, hat mich magisch angezogen. Ich habe einige untersucht, und die Ergebnisse waren überzeugend. Das Thema hat mich seither nicht mehr losgelassen. Hier bin ich jetzt seit elf Jahren dabei.