Nachruf auf Eddi Stapel: Der Erfinder der „Ehe für alle“ ist tot

Eddi Stapel war Schwulenaktivist der ersten Stunde in der DDR. Dann gründete er den gesamtdeutschen Schwulenverband, den heutigen LSVD.

Ein Mann, Eddi Stapel

Eddie Stapel im April 2016 (Archivbild) Foto: Rolf Zöllner

BERLIN taz | Voriges Jahr begann Eddi Stapel, seine Bibliothek aufzulösen. Seine Stimme war fest, als er das sagte, sein Lachen fein geworden. Die Stille in seinem Zimmer hatte etwas Melancholisches. Über seinen Zustand machte er sich keine Illusionen. Zu viel geraucht, sagte er und lachte. Selbst der Krebs finde in seiner Brust kein Futter mehr. Resigniert klang das nicht, eher ein wenig entrückt. Und so hat Stapel auch nicht gejubelt, als Ende Juni die „Ehe für alle“ im Bundestag beschlossen wurde. Dabei war es seine Idee. Es gibt noch jede Menge zu tun, so sein Fazit in der taz.

Vor zwanzig Jahren war Stapel heimgekehrt nach Bismark im Norden Sachsen-Anhalts, wo er 1953 geboren wurde. Für den Sohn eines Fleischers, der, wie er erzählte, auf dem Schulhof merkte, dass er „anders“ war, schloss sich ein Kreis. Zuerst Journalistikstudium in Leipzig, danach Theologie an einer kirchlichen Hochschule. Nicht Redakteur, Pfarrer wollte er werden, schnell wurde er Teil der kirchlichen Opposition.

Stapel brachte ab 1982 schwule Männer in der ganzen DDR in „Arbeitskreisen“ zusammen. Die Anliegen lesbischer Frauen waren damals noch nicht Teil seiner Arbeit. Stapel gründete landauf, landab Schwulengruppen, besuchte sie immer wieder. Die Gruppen, selbstbewusst geworden, erhoben politische Forderungen: heiraten, Kinder adoptieren, kurzum Gleichberechtigung. Ohne die Hoffnung, dass sich das je verwirklichen würde.

In der DDR war 1968 zwar der „Homosexuellen-Paragraf“ 175 gestrichen worden, doch für die SED galten Schwule als konspirativ und als Überträger von Geschlechtskrankheiten. 200 Mitarbeiter setzte die Stasi auf Stapel an, ihr Ziel: Zersetzung. Stapel hat gegen den Druck angeraucht. Die Kirche stellte ihn als Mitarbeiter mit Schwerpunkt Schwulenseelsorge ein, eine Pfarrstelle blieb ihm verwehrt. Der Bischof bot ihm eine „Einzelfalllösung“ an. Er könne ja Pfarrer werden, nur bitte kein Präzendenzfall. Nein, sagte Stapel, entweder alle oder keiner. Stapel war in den achtziger Jahren politischer Kopf und Stratege geworden.

200 Mitarbeiter setzte die Stasi auf Stapel an, ihr Ziel: Zersetzung

Das merkte 1990 auch die vielfach unpolitische westdeutschen Schwulenbewegung. Stapel gründete den DDR-Schwulenverband, zog die Forderungen seiner Gruppen aus der Tasche und holte Talente wie Volker Beck und Günter Dworek in den Vorstand. „Vereinigung andersrum“ nannte das Stapel. 2001 kommt die eingetragene Lebenspartnerschaft, Anfang Juli die „Ehe für alle“.

Stapel selbst war seit 2010 mit seinem Freund, der aus Westafrika stammt, verpartnert. Da war er grüner Bürgermeister von Bismark. Sein Bruder fuhr ihn die wenigen Meter zu den Sitzungen mit dem Auto. Am 3. September ist Eddi Stapel mit 64 Jahren nach langer Krankheit gestorben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.