Rückkehr nach New Orleans

Trotz ernster Bedenken wegen der Seuchengefahr dürfen rund 180.000 Evakuierte in den nächsten Tagen in die Stadt zurück, um am Wiederaufbau mitzuwirken

BERLIN taz ■ Trotz erheblicher Kritik hält der Bürgermeister von New Orleans, Ray Nagin, an seinem Plan fest, einen Teil der Bevölkerung wieder in die Stadt zu holen. Obwohl immer noch 40 Prozent von New Orleans unter Wasser stehen, dürfen ab heute rund 180.000 Einwohner mit seiner Erlaubnis in die Viertel zurückkehren, in denen die Strom- und Wasserversorgung wiederhergestellt ist. Allerdings riefen die Behörden rückkehrwillige Bürger auf, ihre Entscheidung gut zu überdenken

Thad Allen, der nationale Koordinator für die Hilfsmaßnahmen im gesamten Hurrikan-Gebiet, warnte vor einer allzu schnellen Heimkehr der evakuierten Bewohner. Fast drei Wochen nach Hurrikan „Katrina“ sind Wasser, Elektrizität und Sicherheitssysteme noch nicht wiederhergestellt. Gerade durch verseuchtes Wasser entstünde ein erhebliches Risiko, sagte Allen. So kehrten auch nur vereinzelt Menschen in das Katastrophengebiet zurück, um die Schäden an ihrem Besitz in Augenschein zu nehmen. Die Restaurant- und Ladenbesitzer des French Quarter haben nun die Möglichkeit, zwischen 8 Uhr morgens und 18 Uhr die Aufräumarbeiten in Angriff zu nehmen. Abends müssen die Arbeiten eingestellt werden, denn noch immer gilt die nächtliche Ausgangssperre.

Obwohl das höher gelegene French Quarter am wenigsten von den Überschwemmungen betroffen ist, hat es doch sehr unter Gewalttätigkeiten und Plünderungen zu leiden. Einige Einwohner haben das Viertel nie verlassen. Ginge es nach dem Willen des Bürgermeisters, sollte der Geschäftsbetrieb im French Quarter schon am 26. August wieder aufgenommen werden. Doch vorerst werden statt der sonst üblichen Touristen Soldaten die wenigen Kneipen und Restaurants besuchen.

Ein weiteres Problem in der Region sind die riesigen Schutt- und Müllberge, die bei den Aufräumarbeiten anfallen. So rechnen Experten anhand von Luftaufnahmen allein im Bundesstaat Mississippi, wo bereits jetzt die Deponien schon voll ausgelastet sind, mit 38 Millionen Kubikmeter Unrat. Deshalb werden jetzt in aller Eile hunderte Hektar Fläche, die dem Staat gehören, in provisorische Müllhalden umgestaltet. Es wird erwartet, dass der Müll bereits in wenigen Monaten von den Straßen verschwunden ist. Es kann noch Jahre dauern, bis dieser sachgemäß getrennt und entsorgt sein wird.

Bislang kostete Hurrikan „Katrina“ nach offiziellen Angaben 816 Menschen das Leben. Die Suche nach Todesopfern ist noch nicht abgeschlossen. Erst am Freitag entdeckten Rettungskräfte in einem noch immer überfluteten Viertel einen Überlebenden. Der 76-jährige Gerald Martin hat 18 Tage lang ohne Nahrung auf dem Dachboden seines Hauses ausgeharrt. JAKOB NEU

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