„Vollversorger sind wir nicht“

Hamburger Tafel bekommt neuen Vorsitzenden

■ 69, neuer Vorsitzender der Hamburger Tafel, arbeitete lange in der Immobilienbranche: Er vermietete Seniorenstifte.

taz: Herr Müller, wird die Situation für die Tafel einfacher oder schwieriger?

Achim Müller: Es wird vor allem schwieriger, an die Ware zu kommen: Die Discounter, die uns unser täglich Brot überlassen, kalkulieren immer strenger. Vor allem Brot, aber auch Lebensmittel wie Aufschnitt, Käse und Milch werden immer weniger. In jeder Firma regiert der Rotstift.

Wer spendet noch so alles?

Wir haben das unverschämte Glück, dass wir von der herstellenden Industrie auch größere Mengen bekommen, etwa Überproduktionen oder Artikel, die kurz vor Ablauf stehen oder falsch etikettiert sind. Trotzdem können wir nur verteilen, was wir haben. Vollversorger für die Bedürftigen sind wir aber nicht. Da würde ja auch etwas schief laufen, wenn man sich ganz auf die Hamburger Tafel verlassen würde.

Steigt die Zahl der Bedürftigen?

Ja, die nimmt zu. Die Bedürftigen müssen auch ausweisen, dass sie bedürftig sind, sie müssen den Hartz-IV-, den Renten- oder Grundsicherungsbescheid mitbringen. Dafür bekommen sie einen Einkaufsausweis in den jeweiligen Einrichtungen und können sich dann dort für kleines Geld die Taschen füllen.

Käme es andernfalls zu Missbrauch?

Auch das haben wir erlebt. Anfangs waren wir blauäugig. Da sind auch Nicht-Bedürftige gekommen. Und davor mussten wir einen Riegel schieben, denn das ist auch nicht im Sinne der Spender.

Bundesweit gibt es immer mehr Tafeln. Versagt hier der Sozialstaat?

Deutschland hat insgesamt fast 900 Tafeln. Es wäre schön, wenn es die Tafeln nicht gäbe. Aber ich sehe das pragmatisch: Derzeit ist auf die Tafeln nicht zu verzichten. INTERVIEW: LINDA SCHNEIDER

Abschiedsfeier für Tafel-Gründerin Annemarie Dose: 18 Uhr, Internationales Maritimes Museum, Koreastr. 1, Kaispeicher B