Journalismus statt Propaganda

Medien Seit Jahrzehnten wird ein ganzer Beruf politischen Interessen untergeordnet

Die TeilnehmerInnen 2017 auf dem taz-Dach: Rogelio Serrano Pérez, Maykel González Vivero, Lisandra López Pérez de Corcho, Mayli Estevez Perez, Julio Batista Rodríguez, Aracelys Avilés Suárez, Jorge Miranda Márquez, Ismario Rodríguez Perez, Jessica Dominguez Delgado und Lilibeth Alfonso Martínez (v. l. n. r.) Foto: Anja Weber

Von Julio Batista Rodríguez

Was wir heute als kubanischen Journalismus kennen, kommt dabei heraus, wenn man die Medien monopolisiert und einen ganzen Berufsstand politischen Interessen unterordnet. Journalismus in Kuba ist seit Jahrzehnten – mit wenigen rühmlichen Ausnahmen – Propaganda,

Für die täglichen Ausgaben der nationalen Zeitungen stimmt das noch immer. Außerhalb der offiziellen Medien allerdings hat sich Kubas Journalismus verändert – und zwar zum Besseren.

Noch vor nicht einmal fünf Jahren gab es nur zwei klar definierte Haltungen: Regierung oder Opposition. Es war ein Kampf auf Leben und Tod: „Für mich oder gegen mich“. Ohne Zwischentöne. Und mittendrin standen wir, die für ein anderes Lebensmodell und eine andere Art des Journalismus eintraten.

Viele Journalisten, vor allem die jungen, begriffen, dass es vergebene Liebesmüh wäre, auf substanzielle Veränderungen der Presse von oben zu warten. Sie entschieden sich, selbst etwas Neues zu beginnen.

In knapp über vier Jahren ist offline und online ein Netz neuer Publikationen entstanden, die sich um die verschiedensten Themen bemühen: Showbusiness, Mode, Sport, Fotografie, Tourismus, Haustiere … Einige mit größerer Reichweite als andere, manche beständiger als andere, aber alle trugen ihren Teil zu einer Gewissheit bei: Es ist möglich, in Kuba guten Journalismus außerhalb der Staatsmedien zu machen.

Am 24. Mai diesen Jahres wurde Postdata, ein vor kaum acht Monaten gegründetes Medium, für die „Data Journalism Awards“ in der Kategorie „Medium des Jahres“ nominiert. In der gleichen Woche wurde Periodismo de Barrio von der Fun­dación de Nuevo Periodismo Iberoamericano Gabriel García Márquez (FNPI) für seinen Ethikkodex ausgezeichnet. Anfang desselben Jahres wurde Carlos Manuel Álvarez, einer der Gründer von El Estornudo, in die Liste der Bogotá 19 aufgenommen, die jedes Jahr die besten Schriftsteller Lateinamerikas unter 40 benennt.

Allen ist eines gemeinsam: Es sind kürzlich gegründete Medien, die von ausgebildeten kubanischen Journalisten gemacht und geleitet werden, deren einziges Ziel es war, guten Journalismus zu machen. Alle drei Medien verfügen über sehr wenig Equipment, praktisch keine ­Infrastruktur, und sie haben nicht den institutionellen Rückhalt, der ihnen den Zugang zu Informationsquellen erleichtern würde.

Wenn man unter solchen Bedingungen so viel erreichen kann, warum können es dann nicht auch die anderen kubanischen Medien mit dem ganzen Komfort der staatlichen Ausstattung und hervorragenden Journalisten in ihren Reihen? Warum setzen ihre Leitungen auf das dumme Verschweigen, das permanente Unterdrücken und Verzerren der Realität, in der die Bevölkerung lebt?

Manchmal scheint es fast, als ob die kubanischen Medien ihre Dekadenz genießen, als ob es ihnen egal ist, dass sie die Antithese zu Information und Originalität sind. Aber zumindest kann man diese Dekadenz im offiziellen Mediensektor nicht damit erklären, dass es in Kuba keine guten Journalisten gäbe.

Julio Batista Rodríguez, 28, ist Redakteur von „Periodismo de Barrio“ in Havanna