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Ellenlange Lieferkette, bis die Bio-Eier faul sind

Essen Ein Zukaufen wegen rasant gestiegener Nachfrage kann für den Erzeuger riskant sein

BERLIN taz | Kaum ist der Skandal um die mit dem Insektenvernichtungsmittel Fipronil belasteten Eier abgeklungen, gibt es schon wieder Probleme in der Branche: Diesmal geht es um verschimmelte Bio-Eier, die in einem Supermarkt in Schleswig-Holstein aufgetaucht sind. Ein Kunde fand die faulen Eier in einem Karton, den er in einer Edeka-Filiale in Reinbek bei Hamburg gekauft hatte. Laut Verpackungsetikette kamen die Bio-Eier von einem Hühnerhof aus der Region, der sowohl Tiere in konventioneller Boden- und Freilandhaltung als auch Bio-Hennen hält.

Das Brisante an der Geschichte: Die Schimmel-Eier wurden gar nicht auf dem Hof in Schleswig-Holstein erzeugt, sondern von einem anderen Bio-Betrieb in Niedersachsen zugekauft. Durch den aktuellen Fipronil-Skandal sei es zu einer überraschend hohen Nachfrage nach Bio-Eiern gekommen, erklärte der betroffene Hofbetreiber in einer Stellungnahme. Deshalb habe man Eier von einem Großhändler in Niedersachsen bezogen.

Aber auch der Großhändler erzeugte laut Bild-Zeitung seine Ware nicht selbst, sondern hatte sie von einer Erzeugergemeinschaft in Nordrhein-Westfalen gekauft. Diese war wieder­um von einem Großhändler in der Region beliefert worden, der die Eier schließlich von einem Bio-Hof in Niedersachsen hatte. Von dort – das zeigt auch der Code auf der Ware – kamen die Eier ursprünglich.

Kurz: Die faule Ware hatten bereits mehr als 600 Kilometer und drei Zwischenhändler hinter sich, bevor sie auf dem Bio-Hof landete, der die Eier schließlich an Edeka lieferte und dessen Name am Ende auf dem Eierkarton stand. Wo genau die Eier anfingen zu schimmeln, ließ sich bislang nicht feststellen. Das Landeslabor Schleswig-Holstein untersucht die Bio-Eier nun, die Behörden ermittelteten gegen die beteiligten Betriebe, sagte eine Mitarbeiterin beim Kreisveterinäramt Stormarn der taz.

Dass Betriebe Eier von anderen Höfen zukaufen, ist laut dem Geflügelwirtschaftsverband (ZDG) Schleswig-Holstein keine Seltenheit. Gerade bei Lieferengpässen sei dies gängige Praxis, sagte Geschäftsführer Nicolai Wree der taz. Familie Spahr, die den Hühnerhof in Schleswig-Holstein betreibt, hat 50.000 Hennen, die täglich etwa 45.000 Eier legen. Als die Nachfrage nach Bio-Ware unerwartet stieg, kaufte sie 7.200 Bio-Eier aus Niedersachsen. Das sei „notwendig, branchenüblich und auch rechtlich erlaubt“, erklären die Hofbetreiber Spahr. Der Wettbewerbsdruck auf dem Lebensmittelmarkt sei sehr hoch, und auch nur vorübergehende Lieferengpässe könnten dazu führen, dass man gute Kunden verliere. Der lange Weg über mehrere Zwischenhändler sei aber die Ausnahme, sagt Wree.

Zwar zeigt der Code auf dem Ei an, woher die Legehennen kommen. „Den muss man aber erst mal entschlüsseln können“, sagt Gudrun Köster von der Verbraucherzentrale Schleswig Holstein. Der Name auf dem Eierkarton verrät hingegen nur, wo die Eier verpackt wurden. „Das gaukelt dem Verbraucher unter Umständen vor, ein regionales Produkt zu kaufen, wenn die Eier eigentlich aus einem anderen Bundesland oder gar aus dem Ausland kommen“, sagt Köster. Sie fordert klarere Regelungen für Angaben der Erzeugungsstelle auf der Packung. Sie rät VerbraucherInnen: „Macht die Packung auf und schaut, was drin ist.“

Um Lieferengpässe zu verhindern, tun sich kleine Bio-Betriebe oft zu einer Packstelle zusammen, weiß Naturland-Sprecher Markus Fadl. Nur so könnten kleine Höfe überhaupt Aufträge großer Supermarktketten bedienen. Lucia Heisterkamp