Der vertraute Schrecken

Kino Eine Filmreihe im Krokodil versammelt Dokumentarfilme über die Auswirkungen von Kernenergie

Volker Koepps „Wismut“ dokumentiert den lange geheim gehaltenen sowjetisch-deutschen Uranbergbau in der DDR Foto: Edition Salzgeber

von Fabian Tietke

Endlich sicher. Der Bau des Block 3 des finnischen Kernkraftwerks Olkiluoto sollte die angedellte Verheißung der Kernenergie wiederbeleben. Nach den Atombomben auf Hiroschima und Nagasaki galt die Kernkraft in den 1950er Jahren als umweltfreundliche, moderne Energiequelle. In den Jahren danach hat das Image zu Recht gelitten, die politischen Auswirkungen der Umwelt- und Gesundheitsschäden ließen sich nur durch Schmiergelder und politischen Druck begrenzen. Mehr als zehn Jahre begleitete der finnische Regisseur Mika Taanila die Bauarbeiten in Olkiluoto. Der Reaktor ist noch immer nicht fertiggestellt. Vor zwei Jahren fügte Taanila gemeinsam mit seinem Kollegen Jussi Eerola die bisher entstandenen Aufnahmen zu dem Dokumentarfilm „Return of the Atom“ zusammen, der derzeit in den Kinos läuft.

Rund um den Kinostart von „Return of the Atom“ hat das Berliner Kino Krokodil eine Filmreihe zusammengestellt. Die Filmreihe „Schrecklich vertraut – Vertrauter Schrecken. Leben im Schatten der Kernenergie“ versammelt Dokumentarfilme über Kernkraftwerke, Uranbergbau und die jeweiligen Auswirkungen auf Anwohner und Arbeiter.

Anfang der 1990er Jahre begleitete der Filmemacher Volker Koepp die Abwickelung des Uranbergbaus im sächsischen Erzgebirge. Sein Dokumentarfilm „Wismut“ ist benannt nach der sowjetisch-deutschen staatlichen Firma, die den lange geheim gehaltenen Uranbergbau in der DDR organisierte. In den Jahren direkt nach dem Krieg wurde zum Abbau unter anderem auf deutsche Kriegsgefangene zurückgegriffen, um Uranerz abzubauen. Das Uran war zunächst vor allem für Atomwaffen vorgesehen, wurde im Laufe der Zeit jedoch zunehmend auch für Kernkraftwerke verwendet. Schon ab Anfang der 1950er Jahre waren die meisten der Arbeiter mehr oder weniger freiwillig im Uranbergbau beschäftigt. Gute Bezahlung und gute Versorgung waren Lockmittel genug, um Arbeitskräfte zu gewinnen, zumal andere Arbeitgeber in der Region fehlten.

Der Reiz von Volker Koepps Film besteht im Rückblick von heute darin, dass er einerseits die in der DDR lange tabuisierte Geschichte des Uranbergbaus in Gesprächen mit Bergarbeitern erzählt und andererseits die Abwicklung eines DDR-Betriebs in den Jahren nach der friedlichen Revolution dokumentiert. Stolz auf das Geleistete stehen in den Gesprächen neben der Resignation über die Abwicklung und die Angst, mit den Gesundheitsschäden und den Verwüstungen in der Landschaft alleine gelassen zu werden. Die Gesundheitsschäden, die durch den kontinuierlichen Kontakt mit dem Uranerz und dem noch stärker gesundheitsschädlichen radioaktiven Gas Radon zu erwarten waren, wurden während des Abbaus verschwiegen.

Zum Abbau wurde zunächst auf deutsche Kriegsgefangene zurückgegriffen

Nicht anders war dies im sibirischen Krasnokamensk, einer Stadt, die entstand, nachdem 1963 in der Nähe Uranvorkommen entdeckt wurden. Krasnokamensk heißt übersetzt in etwa: Stadt des roten Steins. Ein Name mit symbolischer Bedeutung in der Sowjetunion. Betrachtet man den Dokumentarfilm „Endstation Krasnokamensk. Ein Heimatbesuch“ von Olga Delane und Marianne Kupfer, kommt einem eine andere Assoziation in den Sinn: der rote uranhaltige Schlamm, der sich an den Rändern eines Beckens unter freiem Himmel absetzt und vom Wind in der Landschaft verteilt wird.

Olga Delane zog Mitte der 1990er Jahre nach Deutschland, der Film dokumentiert einen Besuch in der ehemaligen Heimat kurz vor den Feierlichkeiten zum 40. Jubiläum der Stadtgründung. „Endstation Krasnokamensk“ ist ein erschreckendes Dokument sorglosen Umgangs mit Radioaktivität. Weil offiziell die Gefahren der Radioaktivität bis heute verschwiegen werden, weht nicht nur radioaktiver Staub über die Landschaft, und aus der Erde austretendes Radon sammelt sich in Gebäuden – die Anwohner verwenden überdies uranhaltige Steine aus Abraumhalden für Datschen und Beetumrandungen. Einer der Arbeiter, so ein Professor, habe gesagt, die Radonstrahlung lasse sich durch ein Glas Wodka pro Woche neutralisieren. Die wichtigste Veränderung gegenüber den Zuständen in der Sowjetunion ist denn auch, dass die gute Bezahlung und die Versorgungsprivilegien, die Krasnokamensk ebenso wie Uranarbeiter im Erzgebirge genossen, mit dem Ende der Sowjetunion verschwanden. Geblieben sind die Gesundheitsschäden und schlechte Bezahlung.

„Schrecklich vertraut – Vertrauter Schrecken. Leben im Schatten der Kernenergie“, Kino Krokodil bis 31. 8., www.kino-krokodil.de