Umarmungen für den Frieden

Ortstermin Am Sonntagabend demonstrierten in Barcelona Hunderte Muslime gegen Gewalt und Terror – einem spanischen Rechtsextremen geht das nicht weit genug

Frieden! Kundgebung der muslimischen Gemeinde in Ripoll Foto: Francisco Seco/ap

Aus Barcelona Ralf Pauli

Die beste Antwort auf islamistischen Terror passt auf einen bildschirmgroßen Pappkarton. „Ich bin Muslim und nicht Terrorist. Ich verteile Umarmungen aus Liebe und für Frieden“ steht in fünf Sprachen darauf. Drei Tage nach dem Terroranschlag von Barcelona steht Mohamed Saleh auf der „Rambla“ und umarmt die Welt. Er spricht kein Wort, der Karton, seine Gesten erklären ihn.

Saleh – Glatze, Ringelshirt, kurze Hose – ist ins Schwitzen gekommen, so viele Leute gehen auf sein Angebot ein. Vor ihm stehen 20, vielleicht 30 Menschen und warten auf ihre paar Sekunden Nähe. Noch mehr schauen einfach zu. Immer wieder brandet Applaus auf.

Am diesem Sonntag haben sich die Muslime der Stadt klar bekannt: Hunderte sind am späten Abend auf der zentralen Plaça de Catalunya zusammen gekommen. Einige haben Transparente dabei, auf denen „No en mi nombre“ (Nicht in meinem Namen) oder „El islam es paz“ (Islam ist Frieden) stand. Zur Kundgebung hatte das Islamische Kulturzentrum Kataloniens aufgerufen. Die islamische Community solle, heißt es in einer Erklärung, ein Teil des gemeinsamen Kampfes gegen den Terrorismus sein. Schließlich würden Muslime weltweit am meisten unter seiner Gewalt und Barbarei leiden.

Dem kann sich Latifa Bel Ali nur anschließen. Die 63-Jährige mit dem roséfarbenen Kopftuch stammt aus Tunesien, seit 25 Jahren lebt sie in Barcelona, im marokkanischen Viertel El Raval, das hinter der Rambla beginnt. „Was die Attentäter im Namen des Islam verbrochen haben, ist sehr schlimm“, sagt sie und blickt um sich, als könnten die Terroristen jeden Augenblick erneut auftauchen. „Unsere Religion lehrt nicht diesen Hass.“ Jeden Tag, erzählt Bel Ali, komme sie auf die Rambla. Seit dem Attentat aber verspüre sie hier nur mehr Trauer. Viele Muslime sind wütend auf die zwölf zum Teil minderjährigen Mitglieder der Terrorzelle von Ripoll. Immer wieder hört man: Die Terroristen gefährden unser friedliches Zusammenwohnen.

Ähnlich hört man das auch aus ganz anderem Mund. „Seit Jahren versucht uns die Linke weiszumachen, dass die multikulturelle Gesellschaft das Ideal ist. Die Erfahrung hat gezeigt, dass es nicht so ist“, sagt Pablo Rodríguez am Telefon. Der 28-Jährige ist Mitglied der rechten, nationalistischen Partei „España 2000“, die bislang nur bei Kommunalwahlen Sitz gewann. Auf der Website der Partei werden „nichtchristliche“ Länder wie Israel und Marokko als „mehr Feind denn Verbündeter“ bezeichnet. Marokko ist nach Behördenangaben Herkunftsland Nummer eins bei in Spanien festgenommen Islamisten. Auch die Mitglieder der Terrorzelle von Ripoll stammen fast alle aus Marokko.

Er habe nichts gegen kulturellen Austausch, versichert Rodríguez. Aber die Masseneinwanderung führe zu großen Problemen, wie man an Frankreich erkennen könne. Seine Argumente sind die des Ethnopluralismus, die neue Rechte in ganz Europa verwenden, um gegen Migranten mobil zu machen. Nicht mehr die „Rasse“ ist Grund der Ablehnung, sondern die „Kultur“. Auch dann noch, wenn viele Marokkaner wie in Barcelona bestens integriert sind. „Wer sich bei uns an Regeln hält, kann natürlich hier leben“, sagt Rodríguez, der in einem Madrider Vorort als Händler arbeitet. „Aber das Problem sind islamistische Zentren, die Hass predigen. Zehn Prozent der Moscheen in Spanien vertreten radikale Ansichten.“ Und die Radikalen würden mehr.

Die islamische Community soll ein Teil des gemeinsamen Kampfes gegen den Terrorismus sein

Diese Einschätzung vertreten auch spanische Sicherheitsbehörden. Das Innenministerium spricht von rund 100 Moscheegemeinden, die salafistische Inhalte vertreten – oft bezahlt aus Saudi-Arabien, Kuwait oder Qatar. Ein Großteil von ihnen liege in Katalonien. 80 der 256 Moscheen stuft das Innenministerium als radikal ein. Vor zwei Jahren waren es noch 50.

Dass die Dschihadisten auf dem Vormarsch sind, sieht auch Mohammed Chaib. Chaib ist Direktor der Stiftung Ibn Battuta in Barcelona, die sich für die Integration von muslimischen Migranten einsetzt. Mit dem Natio­nalisten Rodríguez teilt er den Befund, dass man radikale Islamisten bekämpfen müsse. „Gegen Radikalisierung hilft aber keine pauschale Stigmatisierung von Muslimen als Terroristen“. Im Gegenteil: Das befördere noch die Möglichkeit, dass sich junge Menschen radikalen Ideologien zuwenden.

Was nach seiner Erfahrung hilft: Aufklärung, gleiche Bildungschancen auch für Migranten, und Dialog.