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Guckst du oben:Sonne scheint genug

SOLARENERGIE Großbritannien erreicht erstmals ein symbolisch wichtiges Energieziel. Aber wie geht es dort energiepolitisch weiter?

DUBLIN taz | Es geht doch. Der offizielle Stromverbrauch im Vereinigten Königreich sank neulich an einem sonnigen Nachmittag erstmals unter den nächtlichen Verbrauch. Grund dafür waren die Solaranlagen der Unternehmen und Privathaushalte. National Grid, Betreiber des Leitungsnetzes, bezeichnete das als „riesigen Meilenstein“. Die Sonne sorgte dafür, dass die Solaranlagen an jenem Tag sechsmal mehr Strom produzierten als die Kohlekraft.

Also alles gut für die britische Solarindustrie? Zumindest für das größte Unternehmen in diesem Sektor: Solarcentury setzt auf Expansion. Vor Kurzem hat man in Lateinamerika und Europa Aufträge im Wert von 3 Milliarden Pfund an Land gezogen.

Das Unternehmen wurde 1998 von dem Ölgeologen Jeremy Leggett gegründet. Er hat Anfang des Monats einen Kooperationsvertrag mit dem Möbelhaus Ikea geschlossen. Dessen Kunden können online einen Stromspeicher für 3.000 Pfund oder eine komplette Solaranlage für knapp 7.000 Pfund bestellen. Solarcentury-Geschäftsführer Frans van den Heuvel sagt: „Wir sind zwar erfolgreich im Vereinigten Königreich, doch die Tories haben die Spielregeln komplett verändert. Sie setzten auf neue Atomkraftwerke und behindern erneuerbare Energien.“

Aufgrund der Erfahrung, die Solarcentury in Großbritannien bei der Ausrüstung von 90.000 Häusern mit Solaranlagen gesammelt hat, wurde eine Firma aus Panama aufmerksam. Privatinvestor ECOSolar will dort 3.400 Megawatt Strom durch Sonne produzieren, Solarcentury soll die Anlagen liefern. Auch in Mexiko, Chile, Kolumbien und Argentinien ist die Firma aktiv.

Van der Heuvel hatte 1999 in den Niederlanden sein eigenes Unternehmen gegründet, doch als die Regierung in Den Haag die Subventionen strich, zog er mit der Firma nach Deutschland und verkaufte sie später an ein chinesisches Unternehmen. „Der britische Markt ist zurzeit wegen der Energiepolitik der Tories zwar sehr schlecht“, sagt er. Langfristig werde Solarenergie aber nicht auf Subventionen angewiesen sein, glaubt van den Heuvel.

Für viele britische Unternehmen kommt dieser Zeitpunkt zu spät. Der Solarbereich ist 2014 und 2015 stark gewachsen, seit 2010 stieg die Stromproduktion auf 11 Gigawatt – genug Strom für 2,6 Millionen Haushalte. Das sind 65 Prozent des Stroms, den das neue Atomkraftwerk Hinkley Point C produzieren soll. Und die Kapazitäten für Solarstrom sind noch lange nicht erschöpft.

Doch als die britische Regierung die Subventionen schließlich strich, brach der Markt ein. 12.000 Jobs gingen verloren, viele Unternehmen mussten schließen. Für die Zeit nach dem Brexit befürchten die verbliebenen Unternehmen einen weiteren Nachfragerückgang. Ein Sprecher des Solarverbands sagte, man rechne mit einer „turbulenten Zeit der wirtschaftlichen Anpassung“.

Ralf Sotscheck