Demnächst im Berghain

FESTIVAl Japanische House-ProduzentInnen sind in Berlin heimisch geworden. Nun machen sie einen Rave im Urban Spree

Ohne all die schönen Synthesizer und Drum-Maschinen von japanischen Hardware-Firmen wie Roland, Yamaha und Korg würden Techno und House heute sicherlich nicht der amtliche und weltumspannende Dancefloor-Sound sein, wie wir ihn kennen. Ja, vielleicht gäbe es diese elektronischen Tanzmusiken nicht einmal, hätten vor dreißig Jahren nicht ein paar geniale Tüftler und Musiker in Detroit und Chicago damit begonnen, mit den aus Japan importierten Zauberkisten diese Beats und irren Elektronikklänge zu basteln, die bald alles für immer verändern sollten.

Prägend fürs Nachtleben

Ohne die japanischen Ingenieure, die sich diese Geräte ausdachten, gäbe es, spinnt man diesen Gedanken fort, womöglich auch kein Berghain. Techno und House sind natürlich auch in Japan längst prägend im Nachtleben und haben eigene Szenen, vor allem in den großen Städten wie Tokio, Kobe und Osaka. Doch DJ-Superstars wie in Europa und den USA gibt es nur wenige. Ken Ishii aus Tokio war schon vor zwanzig Jahren ein Großer des Techno und ließ sich Videoclips vom selben Animationsexperten basteln, der auch für das bahnbrechende Animé „Akira“ zuständig war, was im fernen Ausland jedoch stärker wahrgenommen wurde als in Ishiis Heimatland.

Ken Ishii ist nun eine Art Leitfigur für eine neue, junge Generation japanischer Techno- und House-Produzenten, als einer, der es wirklich geschafft hat. Viele von diesen jungen KünstlerInnen sind in den letzten Jahren in die USA gegangen und in Europa vor allem nach London, um fern der Heimat ihr Glück zu versuchen. London war lange Zeit die erste Anlaufstelle für japanische Produzenten und DJs. Kein Wunder also, dass auch Tomoki Tamura, einer der vielen DJs und Live-Acts, die beim großen Japanese Techno Festival im Urban Spree auflegen und spielen, in London ein eigenes Technolabel betrieb und dort Partys veranstaltete, bevor er vor einiger Zeit nach Berlin umgezogen ist.

Mekka der Tanzmusik

Berlin hat London inzwischen als bevorzugte Destination für Japaner im Exil abgelöst. Immer mehr Japaner, die etwas mit Kunst oder Musik machen, verlassen London, wo es für sie zu teuer geworden ist, in Richtung Berlin. DJs und Technoproduzenten natürlich auch, weil für Japaner längst Berlin als Mekka der elektronischen Tanzmusik gilt, Berliner DJs wie Riccardo Villalobos in Japan über alle Maßen verehrt werden und das Berghain als hedonistischer Sehnsuchtsort für viele Raver gilt, denen die japanische Gesellschaft zu restriktiv erscheint.

Die beim Japanese Techno Festival im Urban Spree auftretenden DJs und Live-Acts leben dann auch inzwischen allesamt in Berlin, und nun scheint es für diese Expat-Gemeinde endlich an der Zeit zu sein, den Berlinern aufzuzeigen, dass sie hier sind und zum Teil der lokalen Szene werden wollen. Tracktitel etwa von Kenji Tazaki, der auch im Urban Spree auflegen wird, haben immerhin Namen wie „Revaler 99“, was schon zeigt, dass die Japaner sich hier bereits akklimatisiert haben.

Die Acts werden im Urban Spree nicht nur zwei Dance­floors bespielen, sondern auch den Biergarten. Die Galerie mit angeschlossenem Club, in dem meist eher spezielle Indiebands spielen, wird sich zu einem Rave­tempel verwandeln, und die Japaner werden ihre Duftmarke in der lokalen Szene setzen. Mehr davon dann vielleicht bald im Berghain, damit endlich auch in Fernost die Menschen mitkriegen, dass die japanischen TechnoproduzentInnen wirklich angekommen sind in Berlin.

Andreas Hartmann

Japanese Techno Festival – heute ab 22 Uhr im Urban Spree