In Paris stinkt es in diesen Tagen verdammt nach Geld
: Der Eiffelturm in den Farben von Paris Saint-Germain

Air de Paris

von Annabelle Hirsch

In Paris stinkt es in diesen Tagen. Nicht etwa weil die Müllmänner einmal wieder, so wie im vergangenen Jahr während der EM, ihre Arbeit verweigern und den Haushaltsdreck unter der brennenden Sonne brutzeln lassen. Nein, es riecht einfach ein bisschen ekelhaft nach Geld. Nach viel Geld und nach schmutzigem Geld.

Nun werden Sie natürlich sagen, gut erkannt, das tut es doch immer, nur ist es in diesem speziellen Fall ein bisschen anders. Natürlich gilt hier wie in den meisten anderen großen Städten dieser Welt das unkluge Prinzip: Wer am meisten Geld hinblättert, bekommt, was er will, die Häuser, die Institu­tio­nen, die Stadtviertel. Und weil man weiß, dass Moral und Business sich nicht unbedingt gut verstehen, behelligt man die guten Kunden nicht mit blöden Fragen nach der Herkunft ihrer vielen Scheinchen.

Man verbucht das unter „die Welt, wie sie heute eben funktioniert“ und fragt sich nur, warum man es nach drei Jahrzehnten Welterfahrung immer noch so befremdlich und dumm findet. Muss es nicht irgendwo Grenzen geben!? Offenbar nicht. Seit der vergangenen Woche weht der Pariser Geldgestank besonders penetrant aus einer Richtung, nämlich aus dem Emirat Katar.

Wahrscheinlich wissen Sie, wovon ich spreche, sie haben es sicher mitbekommen, man konnte es ja gar nicht nicht mitbekommen, selbst wenn man sich, so wie ich, nicht besonders dafür interessiert: Vor einer Woche kaufte der Pariser Fußballklub PSG dem FC Barcelona seinen Neymar Jr. (Neymar da Silva Santos Júnior) ab. So ein Topspieler ist teuer, natürlich, der Franzose Paul Pogba kostete Manchester United auch 105 Millionen Euro, bei Neymar nimmt das Ganze aber noch mal eine besonders geisteskranke Fahrt auf: 222 Millionen Euro blätterte PSG hin, um den fünfundzwanzigjährigen Brasilianer für fünf Jahre sein Eigen zu nennen. Sein Jahresgehalt soll irgendwo um die 30 Millionen netto liegen. Im Internet machen sich die Leute jetzt einen Jux daraus, vorzurechnen, was er damit alles kaufen kann: Er könnte zum Beispiel 33.244 Jahre lang mit dem Pass Navigo (die Metro-Monatskarte) in Paris hin- und herfahren, sich 144 Ferrari Spider in die Garage stellen, 27.000 Mal von Paris nach Rio fliegen und so weiter.

Das ist lustig, aber irgendwie übersieht das dann doch, worum es wirklich geht. Es geht ja noch nicht einmal darum, dass diese Summen, also die des Transfers und sein Gehalt, für jeden halbwegs normalen Menschen irgendwie unanständig klingen – Picassos „Femmes d’Alger“ kosteten vor zwei Jahren auch schon 179 Millionen Euro, das finden sicher auch viele befremdlich und übertrieben.

Es geht darum, wo dieses Geld herkommt und weshalb es gerade jetzt ausgegeben wird. Wie ja jeder weiß, gehört der PSG schon seit Jahren Katar, und wie ebenfalls jeder weiß, hat Katar gerade ein paar Probleme mit seinen Nachbarn. Vor ein paar Wochen beschuldigten die Saudis (ausgerechnet die!) das Emirat, den internationalen Terrorismus zu unterstützen, und riefen ihre Verbündeten in der Region, Ägypten, Bahrain & Co, dazu auf, jegliche Beziehungen abzubrechen.

Katar steht nun isoliert, und da kommt so ein Marketing-Coup wie der Rekordeinkauf eines Superspielers natürlich ganz gelegen. Soft Power nennt man das wohl. Statt an Terrorismus denkt man in Verbindung mit Katar jetzt, zumindest für ein paar Tage, an tollen Fußball und hoffentlich beeindruckende Spiele. Sogar Emmanuel Macron, der in den Popularitätsumfragen wegen seinen Kürzungen im monatlichen Wohngeld in den letzten Wochen vollkommen abgesoffen ist, gratulierte dem PSG-Präsidenten Nasser al-Khelaifi zu diesen „guten Neuigkeiten“. Der Eiffelturm leuchtete am Wochenende in den PSG-Farben Blau-Rot und hieß den Champion in seiner neuen Heimat willkommen.

Die Immobilienmakler schubsen sich schon gegenseitig, um als Erstes ihre superteuren Superwohnungen im 8. Arrondissement vorzuführen. Keiner denkt da an Terrorismus, wenige regen sich auf oder wundern sich auch nur. Das große Empören, das man in Frankreich sonst gern und für jeden Blödsinn herausschreit, es bleibt aus. Stattdessen macht man, was man hier so gut kann: den Gestank einfach mit einer teuren Note übersprühen. Irgendwann wird’s schon duften.

Annabelle Hirsch ist freie Autorin und lebt in Paris