Die Lehrerin

Wie machen Sie das?

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Jessica Schüßel, 27, unterrichtet in München Deutsch als Fremdsprache. In ihren Kursen sitzen französische Ingenieur*innen neben Geflüchteten aus Eritrea.

taz.am wochenende: Frau Schüßel, Sie müssen sich schnell viele Namen merken. Wie machen Sie das?

Jessica Schüßel: Ich schreib alle Namen in Lautschrift auf einen Zettel: Der griechische Georgios wird zum Jorgus, Canan zu Dschannan. Wenn jemand bereits in der zweiten Stunde im Aufsatz schreibt: „Ich bin Ahmed aus Jordanien und wohne in einem Haus mit Mangobaum“, hab ich gleich ein Bild. Und es bekommt jede*r ein Namensschild.

Haben die Leute Lust, mit Schildern rumzulaufen?

Sie meckern schon: „Das ist ja wie in der Grundschule!“ Und ich antworte: „Ja genau. Schule ist cool!“

Welche Namen sind eine besondere Herausforderung?

Die gewöhnlichen und die komplizierten. Einem Jafar sag ich „Ah, bei Aladin gibt’s auch nen Dschafar!“ Eine Maria frag ich „Oh, kennst du Marija Betruskaya, die Eiskunstläuferin?“ Absurdes ist leichter zu merken. Wichtig ist, dass man etwas mit dem Namen verbindet.

Nutzen Sie Spezialtechniken?

Ein Hochbegabter schlug mir das räumliche Merken vor: „Neben dem Papierkorb sitzt Ramija.“ Das wird aber zum Problem, wenn sie den Platz wechselt. Ich arbeite eher visuell: Ahmed und Amjad kann ich nicht auseinanderhalten, da guck ich sie genauer an und entdecke: Ahmeds Haaransatz sieht aus wie der von Opa Otto, Amjads Hals wie die Luftpumpe aus unserem Schuppen. Natürlich darf ich das nicht laut sagen.

Was war der schwierigste Name, den Sie sich je merken mussten?

Ein Mann aus Indien stellte sich mit Werenjaneyalua vor. Das hab ich in Lauten aufgeschrieben und sehr oft vor mich hin gesagt. Davon bekam ich sogar einen Ohrwurm. Den bekam ich erst wieder los, als ich das Lied „Am Tag, als Conny Kramer starb“ hörte.

Interview Fabian Stark