Umstrittene Autobahn: Die A 100 stinkt zum Himmel
Muss das im Bau befindliche Teilstück der A 100 abgerissen werden, weil es auf Grundlage manipulierter Abgaswerte geplant wurde?
In der Senatsverkehrsverwaltung gibt man sich derzeit ziemlich zugeknöpft beim Thema A 100. „Das ist ein komplexes juristisches Thema, das müssen wir in Ruhe klären“, so Sprecher Matthias Tang am Donnerstag zur taz. „Es zeigt aber, welche Unwägbarkeiten der Diesel-Abgasskandal mit sich bringt.“
Grund für die Verunsicherung im Haus von Umwelt- und Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos) ist ein Vorstoß vom Berliner Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND). Der hat zusammen mit BürgerInnen ein sogenanntes Wiederaufnahmeverfahren für den Ausbau der Autobahn A 100 durch Neukölln und Treptow-Köpenick beantragt.
Es geht um die Planfeststellung für den 3,2 Kilometer langen Abschnitt, der sich seit 2013 im Bau befindet. Die Genehmigung des Großprojekts beruhe auf falschen Zahlen, so der BUND: Die Belastung der Luft mit Stickoxiden rund um die Treptower Elsenstraße, wo sich die Verkehrsmenge aufgrund des neuen Autobahnabschnitts verdopple, falle viel höher aus, wenn man die manipulierten Diesel-Abgaswerte vieler Hersteller der Realität anpasse.
„Ein neues lufthygienisches Gutachten muss her“, so BUND-Verkehrsreferent Martin Schlegel zur taz, „und dessen Ergebnis dürfte sein, dass in der Elsenstraße eine deutliche Überschreitung der Grenzwerte stattfinden wird.“ Schlegel verweist auf die neuen Berechnungsgrundlagen, die das Umweltbundesamt mittlerweile veröffentlicht hat. Sie legen einen um 92 Prozent höheren Ausstoß an Stickoxiden (NO2) durch moderne EURO-6-Pkw zugrunde.
Aber was passiert, wenn der Senat die Planfeststellung überprüft und herauskommt, dass sie auf falschen Prämissen beruht? Das ist völlig unklar. Vom drohenden Rückbau der A 100 war in Presseberichten schon die Rede, wahrscheinlicher dürfte eine Reglementierung des Verkehrs auf dem neuen Abschnitt sein. BUND-Mann Schlegel erhofft sich Druck auf Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), dessen Ministerium Bauherr der Bundesautobahn A 100 ist – der aber die Einführung einer „blauen Plakette“ ablehnt, die stickstoffarme Dieselfahrzeuge von der Straße fernhalten würde.
Blaue Plakette muss her
Helfen würde auch ein vom Land verhängtes Fahrverbot für ältere Dieselfahrzeuge, allerdings glaubt Schlegel, dass das in der SPD kaum durchzusetzen wäre – höchstens mit einer Menge Ausnahmen. Dem aber sei „eine echte blaue Plakette“ vorzuziehen.
Jetzt ist erst einmal der Senat am Zug und muss liefern. Dass der Bedenkzeit braucht, findet man beim BUND auch aus Gründen des Koalitionsklimas verständlich. Es ändere aber nichts daran, dass „der Schutz der Gesundheit der Menschen ein höheres Gewicht bekommen muss als das Interesse, mit dem Pkw möglichst schnell in die Stadt zu kommen“.
Und was ist mit den von Rot-Rot-Grün auf Eis gelegten Plänen für den 17. Abschnitt der A 100 vom Treptower Park bis zur Storkower Straße? Aus der Senatsverwaltung heißt es dazu wieder nur: „Wir prüfen.“
Leser*innenkommentare
Sisyphus
Es bleibt nur, was schon längst überfällig ist: sofortige Einstellung dieses aus der Mottenkiste der Verkehrspolitik der 1970erjahre stammenden Wahnsinnsprojekts; Rückbau der bereits verursachten Verwüstungen; Haftbarmachung der Autoindustrie für die entstandenen Kosten - immerhin haben die vorsätzlichen und skrupellosen Manipulationen der Automafia wesentlich dazu beigetragen, daß der fatale Planfeststellungsbeschluß zustandekommen konnte (neben Betonschädeln wie Wowereit und seinen CDU-Kumpanen)
the real günni
blaue plakette - wo ist das problem? die staedter koennen ihre ollen diesel an die landbevoelkerg verkaufen und sich die blaue plakette auf ihr mit abwrackpraemie von 8.000 EUR gekauftes carbonrennrad der spitzenklasse kleben - DEAL!