Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Erst hat Edmund Stoiber das Nötige getan, damit Angela Merkel die Wahlen vergeigt. Und nun setzt Gerhard Schröder auf die Ministerpräsidenten der CDU, damit sie Merkel meucheln, bevor es zu einer großen Koalition kommen kann

Wenn Lafontaine nicht zu 114 Prozent aus Narzissmus bestehen würde, dann würde er die historische Aufgabe angehen, das zusammen-zuführen

taz: Was war schlecht am Wahlsonntag?

Friedrich Küppersbusch: Die Brünstigkeit des Noch-Kanzlers, mit der er sich unnötig Sympathien für den weitergehenden Wahlkampf verscherzt hat.

Was wird besser in dieser Woche?

Wir werden wissen, ob es auf Dresden ankommt. Ob wir eine Mende-Wende-Misstrauensvotum-gegen-Brandt-Zeit haben, in der es vor allem auf die Linkspartei und eventuelle Desperados dort ankommt.

Der Wahlausgang spiegelt, dass wir nicht mehr in der schönen Bundesrepublik leben, wo die politischen Lager klar sortiert waren. Ist das nicht ein Fortschritt?

Na ja, die Politik hat gefragt: Wat denn nu? Und der Wähler hat geantwortet: Weiß ich auch nich! Das ist doch große Einmütigkeit, bei hoher Wahlbeteiligung.

Und was lehrt Sie das?

Positiv daran ist, dass eine große Koalition, der ein Projekt fehlt, jetzt das Naheliegendste ist. Also brauchen die großen Parteien nur noch ein Projekt – und könnten was erreichen.

Es gibt immerhin doch die Föderalismusreform.

Da glaub ich also wirklich, dass alle Arbeitslosen von sich aus anfangen zu arbeiten, wenn die es schaffen, eine Föderalismusreform zu machen. Dennoch: Der Auftrag des Wählers ist doch klar. Rot-Grün wurde abgewählt und Schwarz-Gelb hat keine Mehrheit, die FDP wurde aber nur genau dafür gewählt, und die Grünen können mit den Schwarzen auch nicht. Also entweder einer fällt um oder man rockt sich durch bis zu Neuwahlen. Um die dann zu verlieren, hat Schröder Sonntag ja das Nötige getan.

Was wollte Schröder mit seinem dreisten Auftritt erreichen?

Er will, dass Angela Merkel gemobbt wird. Deshalb hat er auch nicht gesagt: Ich schließe eine große Koalition aus. Sondern: Für eine große Koalition unter Frau Merkels Führung wird es keine Stimmen der SPD geben. Er setzt auf die Notgeilheit von drei oder vier Ministerpräsidenten der CDU, die Gunst der Chance zu nutzen, um Merkel endlich zu erledigen.

Dazu hätten sie auch allen Grund bei dem desaströsen Ergebnis der Union.

Ja, sicher. Allerdings hat auch Herr Stoiber das Nötige beigetragen mit seinen „frustrierten“ Ossis. Also, ich habe ihn selten so gelöst gesehen wie am Sonntagabend neben Merkel.

Immerhin zeigt das Wahlergebnis auch, dass es bundesweit eine strukturelle linke Mehrheit gibt.

Ja, und Willy Brandt sitzt auf seiner Wolke und frohlockt. Doch die historische Situation ist so: Wenn Deutschland etwa dem niederländischen oder dem skandinavischen Modell folgen wollte – mit einem Spektrum von mehreren linken oder rechten Parteien –, das wäre zu viel verlangt. Die Deutschen können so unklare Lagen nicht gut handhaben und wollen es nach Weimar auch nicht mehr.

Also haben nur Grüne und FDP auf Dauer eine Bestandschance?

So ist es. Aber zwei SPDen – das wird eben nicht gehen. Wenn Lafontaine nicht zu 114 Prozent aus Narzissmus bestehen würde, dann würde er die historische Aufgabe angehen, das jetzt zusammenzuführen. Macht Lafontaine aber nicht, denn er und Schröder sind eben unvereinbar. Also kann sich die Linke.PDS freuen, auch mal wieder vier Jahre lang bei Käfer in der Bundestagskantine essen zu gehen. Und das war’s.

Also bitte, warum sollten die Deutschen heutzutage nicht das können, was in Nachbarländern Gang und Gäbe ist? Und: Ein breiteres Spektrum ist doch auch für die Parteien ein Vorteil, die sich so besser profilieren können.

Das ist Luxus pur. Nur: Das Mantra, mit dem die Deutschen nun fast 50 Jahre zur Wahl gegangen sind, ist das kleinere Übel. Und jetzt kriegen wir also maßgefertigte Parteien, die genau das wollen, was ich will – und dann aber garantiert in der Opposition landen. Nee, da will ich doch lieber das kleinere Übel wählen können, weil da wenigstens eine wirkliche Gestaltungschance dahinter steckt.

In Skandinavien klappt das doch.

Wir haben es auf jeden Fall noch nicht gelernt.

Und wie hat Dortmund gewählt?

Zum Saisonauftakt hat mir ja ein Gewährsmann schon gesagt: Bei uns geht es dieses Jahr um den Klassenerhalt – wie ja auch bei unserem Mitglied Gerhard Schröder.

INTERVIEW: DANIEL HAUFLER