Vier Prozent zahlen nicht

ÖFFENTLICH RECHTLICH Das Finanzamt treibt die Rundfunkbeiträge bei säumigen Zahlern ein – und zählt mehr als 10.000 Fälle pro Jahr

Wie viele Menschen den Rundfunkbeitrag für die öffentlich-rechtlichen Sender verweigern, darüber gibt es keine offiziellen Zahlen. Darum ist die Senatsantwort auf die parlamentarische Anfrage der Bremer FDP interessant. Denn das Finanzamt Bremen-Nord ist zuständig für die „Vollstreckung rückständiger Rundfunkbeiträge“. Aus der Antwort des Senats geht hervor, dass es zur Eintreibung des Rundfunkbeitrags im Jahr 2015 insgesamt 11.157 Vollstreckungsverfahren gab, 2016 waren es genau 9.764, im ersten Halbjahr 2017 wieder etwas mehr: 5.954.

Das bedeutet: Jedes Jahr werden fast vier Prozent der zahlungspflichtigen Haushalte mit Vollstreckungspost bedient. Die Aktivisten der Boykott-Bewegung sprechen von 10 Prozent Boykotteuren, zählen dabei allerdings alle, bei denen es aus welchen Gründen auch immer zu einem einfachen Mahnverfahren gekommen ist.

Fast 190.000 Euro hat Bremen im Jahr 2016 für seine Arbeit mit der Vollstreckung von der Beitragsbehörde bekommen, an eigenen Kosten rechnet die Finanzsenatorin aber knapp 600.000 Euro. Bremen muss also kräftig zuschießen. Die durchschnittliche Belastung der Finanzbehörde liegt bei 54,50 Euro pro Fall, ab 2018 soll der Aufwand mit 28,50 Euro pro Fall vergütet werden.

Diese Deckungslücke will die FDP zum Anlass für Nachfragen nehmen. „Insgesamt“ findet die FDP das Finanzierungsmodell „fragwürdig“ und schlägt vor, den Beitrag mittelfristig um die Hälfte zu senken. Die ungeliebten Gebühren haben gleichzeitig Begehrlichkeiten auf der anderen Seite geweckt. Pünktlich zu Beginn des nachrichtlichen Sommerlochs forderte Pro-Sieben-Sat1-Vorstand Conrad Albert, dass auch Privatsender öffentliches Geld bekommen.

Die jährlich etwa acht Milliarden Euro aus dem Beitrag müssten für Inhalte ausgegeben werden, nicht für Institutionen. „Gesellschaftlich relevante Inhalte, die demokratie- und vielfaltstiftend wirken“, würden auch seine „Pro Sieben News“ liefern und mehr junges Publikum damit erreichen als „Tagesschau“ und „heute“ zusammen. Anfangs gab es eine Vielzahl von Klagen gegen das Haushaltsmodell der Rundfunkabgabe, allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig im März 2016 insgesamt 18 Revisionsverfahren abgelehnt. Damit bliebe nur der Rechtsweg über das Bundesverfassungsgericht.

Als „Betriebsstätte“ gilt im Rundfunkstaatsvertrag „jede zu einem eigenständigen, nicht ausschließlich privaten Zweck genutzte ortsfeste Raumeinheit oder Fläche innerhalb einer Raumeinheit“. Die Stadtgemeinde Bremen zahlte für 2017 insgesamt 73.000 Euro Rundfunkbeitrag. Besonders teuer sind dabei „Kinder und Bildung“ mit allein 13.000 Euro, weil Kitas und Schulen meist in eigenen „ortsfesten Raumeinheiten“ untergebracht sind. Ob in den Kitas und Schulen nun aber wirklich Fernsehen geguckt und öffentlich-rechtlicher Rundfunk gehört wird, spielt dabei keine Rolle. kawe