Inszenierte Empörung

Über das „dämliche Zitat des Autonomen-Sprechers Andreas Beuth und die Folgen“ hat jetzt Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider geschrieben. Das darf er natürlich, zumal so ein Meinungsstück, als solches deklariert, ja einen Fortschritt markiert: Weder erst- noch letztmals zeigt die Abendblatt-Lektüre in Sachen G20, wie dreist sich Tendenz als Nachrichtlichkeit zu verkaufen weiß – und wie es aussieht, wenn sich Journalisten gemein machen mit einer Sache, wenn gerade nicht Sonntag ist und keine Rede zu schwingen.

Die Strafanzeigen gegen Beuth nimmt Haider zum Anlass, um schon mal zu richten über den Anwalt. Brav ringt er sich ab, es sei nun an dessen „Berufskollegen, den Juristen, zu entscheiden“, ob Beuth „einfach so weitermachen“ dürfe. Aber was ist eigentlich die Alternative – Berufsverbot? Oder gleich Verbannung? Ein Tipp: betitelt war Haiders Text „Nicht in unserer Stadt.“

Das einmal mehr bemühte Wir-gegen-die, und sei’s auf Grundrechtskosten, mal beiseite gelassen: Richtig klar wird nicht, warum eine – nochmals – „dämliche Äußerung“ einem zur Last gelegt wird, als wäre sie Parteiprogramm. Auch das notorische Festnageln Beuths auf dessen eigenes Gerede, er sei „Sprecher der Autonomen“, kündet von einem Weltbild, das nur Führerprinzip versteht.

Nun ist Haider nicht dumm, nicht mehr jedenfalls wie ein Bürgermeister, der sich zur Unzeit auf eine fortan als richtig zu geltende Sicht der Dinge festlegt. Beider Empörung ist eine inszenierte: Was dem einen die Auflage, ist dem anderen der nächste Wahlgang. Beide aber wären besser beraten, niemandem ausgerechnet „geistige Brandstiftung“ vorzuwerfen. ALexander Diehl