Pferdefans müssen weichen

Justiz Aufatmen bei der Stadt Frankfurt und beim DFB: Die Stadt darf das umstrittene Gelände der traditionsreichen Pferderennbahn in Frankfurt-Niederrad räumen

Hier soll die neue DFB-Akademie entstehen: Gelände der Frankfurter Galopprennbahn Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

Aus Frankfurt am Main ­Christoph Schmidt-Lunau

Der Vorsitzenden des Zweiten Zivilsenats beim Frankfurter Oberlandesgericht (OLG), Annette Boerner, war die Anspannung bei der Urteilsverkündung am Donnerstag anzumerken. Stockend trug sie das folgenschwere Urteil vor, das möglicherweise den Schlusspunkt im scheinbar unendlichen Streit zwischen dem Frankfurter Pferderennklub auf der einen und der Stadt und dem mächtigen DFB auf der anderen Seite markieren könnte.

Laut OLG hat die Stadt das Recht, die traditionsreiche Pferderennbahn in Frankfurt-Niederrad räumen zu lassen. Damit wäre der Weg für die geplante Fußballakademie des DFB frei. Vertreter der Stadt kündigten noch im Gerichtssaal an, die unverzügliche Räumung des Geländes einzuleiten.

Allerdings ließ das Gericht eine Revision beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe zu. Dort könnte der Rennklub auch versuchen, die sofortige Räumung des Geländes abzuwenden. Er müsste dazu eine Klageschrift einreichen und als Sicherheit 350.000 Euro hinterlegen. „Ich hoffe, dass der Rennklub – nachdem er schon den Bürgerentscheid nicht akzeptiert hat – nun wenigstens dieses Urteil respektiert“, sagte Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann.

Rennklub-Präsidiumsmitglied Carl-Philip Graf zu Solms-Wildenfels, der seit Jahren in rund einem Dutzend Gerichtsverfahren für die Zukunft des Turfsports in Frankfurt kämpft, kündigte allerdings an, den BGH anzurufen. „Wir haben es angefangen. Wir werden es auch zu Ende führen“, sagte er nach dem Urteil.

Das könnte der Stadt eine weitere Verzögerung bescheren. Spätestens seit dem 1. Januar 2016 ist sie im Verzug. Zu diesem Zeitpunkt hätte sie das Gelände dem DFB übergeben müssen, so war es vertraglich vereinbart.

Ob der Fußballbund eine weitere Verzögerung akzeptieren würde, ist ungewiss. Er hat vorsorglich andere Standorte geprüft, und ist offenbar auch fündig geworden. In diesem Fall müsste die Stadt möglicherweise Schadensersatz leisten.

Die Zulassung der Revision war für die Stadt nicht der einzige Schönheitsfehler im Urteil des OLG. Die Senatsvorsitzende wählte für das Vorgehen der Verantwortlichen der Stadt äußerst kritische Worte. „Sittenwidrig“ hätten sie gehandelt, als sie mit dem ehemaligen Rennklubpräsidenten, dem Bad Homburger Steuerberater Manfred Hellwig, die Übernahme der Hippodrom GmbH vereinbart hätten, formal Mieterin des Rennbahngeländes.

Das Gericht hat eine Revision beim ­Bundesgerichtshof in Karlsruhe zugelassen

Dass die Stadt Hellwig persönlich für sein Entgegenkommen 2,98 Millionen Euro gezahlt habe, sei nicht korrekt gewesen. Im Gegenteil, die Stadt habe ihn dazu verleitet, seine Pflichten als ehemaliger Rennklubpräsident grob zu verletzen. Hellwig persönlich hätten Überschüsse aus dem Rennbahnbetrieb „nur in geringem Maße“ zugestanden, so die Senatsvorsitzende.

Das kann man so lesen: Die Stadt hat zusammen mit dem Expräsidenten getrickst, um den Rennklub auszubooten. „Das waren klare Worte, in Richtung Bad Homburg“, sagte sichtlich zufrieden Rennklubvorstand Solms-Weidenfels. Der Klub hat gegen seinen ehemaligen Präsidenten Hellwig ohnehin Strafanzeige erstattet. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Die Senatsvorsitzende, selbst passionierte Reiterin, fand zudem tröstliche Worte für den Rennklub und seinen streithaften Vertreter. Sie sei lediglich die Überbringerin der schlechten Nachricht, die das Ende des Pferderennsports in Frankfurt bedeuten dürfte. Sie habe Respekt vor der Leistung der ehrenamtlichen Vertreter des Vereins.

Ausdrücklich stellte die Richterin fest, Bürger dürften die Instanzen des Rechtsstaats in Anspruch nehmen, auch wenn mächtige Interessen dagegen stünden. In ihrem Schlusswort spielte sie auch auf die Kritik aus der Frankfurter Stadtregierung und dem DFB an, die gerichtlichen Auseinandersetzungen um das Rennbahngelände hätten unerträglich lange gedauert.

Nie habe sie als Zivilrichterin einen solchen öffentlichen Druck von außen auf ihre Verfahrensführung erlebt, beklagte Annette Boerner nach der Urteilsverkündung gegenüber der taz.