Der Entzug des Stimmrechts ist eingeleitet

Polen Die EU-Kommission zündet die erste Stufe der sogenannten Nuklearoption gegen Warschau

BRÜSSEL taz | Im Streit um die Justizreform in Polen greift die EU-Kommission zu einer ungewöhnlichen Maßnahme. Sie droht, den roten Knopf für die sogenannte Nuklearoption zu drücken. Damit bezeichnet man in Brüssel den Entzug des Stimmrechts im EU-Ministerrat. Ohne dieses Stimmrecht würde Polen de facto seine Rechte in der EU verlieren. Sollte die Regierung in Warschau es wagen, Richter des obersten Gerichtshofs zu entlassen, werde man „mit sofortiger Wirkung“ auf den roten Knopf drücken, teilte Vizepräsident Frans Timmermans in Brüssel mit.

Für einen Beschluss ist allerdings eine Mehrheit von vier Fünfteln der EU-Staaten nötig. Er wäre auch nur die erste Stufe im sogenannten Rechtsstaatsverfahren. Polen würde damit nicht sofort sein Stimmrecht verlieren. Dafür wäre eine weitere Abstimmung nötig, bei der Einstimmigkeit erforderlich ist. Ungarn hat schon ein Veto angekündigt.

In Warschau nimmt man die neue Drohung aus Brüssel dennoch ernst. „Wir werden Erpressung vonseiten EU-Beamter nicht akzeptieren“, sagte Regierungssprecher Rafał Bochenek. „Alle Gesetzentwürfe, die vom Parlament vorbereitet sind, entsprechen der Verfassung und demokratischen Grundsätzen“, betonte er.

Die PiS hatte mehrere Gesetze verabschiedet, die der Regierung freie Hand bei der Besetzung der Richterposten lassen würden. Präsident Andrzej Duda legte am Montag sein Veto gegen zwei Gesetze ein. Es bestehe weiter eine „systemimmanente Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit“, kritisiert nun die EU-Kommission. Sie leitete deshalb zudem noch ein neues Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen ein. Eric Bonse