Weniger Lohn für Frauen

Einkommenslücke In Bremen ist der Beschäftigungsanteil von Frauen so gering wie in keinem anderen Bundesland. Auch beim Gehalt sind Frauen benachteiligt

In keinem anderen Bundesland ist der Frauenanteil in Beschäftigungsverhältnissen so gering wie in Bremen. Das geht aus dem aktuellen statistischen Jahresbericht der Arbeitnehmerkammer hervor, der sich auf Erhebungen aus dem Vorjahr stützt. Nach der Studie sind nur 43,8 Prozent aller Arbeitsplätze von Frauen besetzt, das ist über drei Prozent weniger als im bundesweiten Durchschnitt.

Der niedrige Frauenanteil steht in Bremen einer sonst wachsenden Konjunktur gegenüber. Im Vergleich zum Vorjahr hat das Bruttoinlandsprodukt in Bremen um 2,2 Prozent zugenommen – und liegt damit auf dem vierten Platz im Bundesländervergleich. Von der wachsenden Beschäftigungsrate profitieren aber vor allem Männer. Rund 5.000 neue Arbeitsplätze besetzten im vergangenen Jahr Männer, während nur 2.500 neue Jobs an Frauen gingen.

„Wir verzeichnen einen Beschäftigungsgewinn in der Industrie, wo traditionell eher Männerarbeitsplätze entstehen“, erklärt Elke Heyduck, Geschäftsführerin der Arbeitnehmerkammer Bremen. Umgekehrt ist auch das Gesundheits- und Sozialwesen gestiegen, in der der Frauenanteil überwiegt. „Trotzdem können die Frauen in diesem Jahr nicht mit dem Zuwachs bei den Männern Schritt halten,“ so Heyduck.

Zudem gibt es gravierende Unterschiede zwischen den Geschlechtern bei den Stundenlöhnen. In jeder Branche verdienen Frauen weniger als ihre männlichen Kollegen: im Durchschnitt 18 Prozent. Am höchsten ist die Lohnlücke im Gesundheits- und Sozialwesen, wo Männer 31,2 Prozent mehr Lohn als Frauen erhalten. „Frauen nehmen hier viel seltener Führungspositionen ein,“ sagt Heyduck. Zwischen einer Altenpflegerin und einem Arzt klaffe zudem eine erhebliche Lohnlücke, die sich hier wiederfinde.

Wird hingegen dieselbe Arbeitsstelle betrachtet und zwischen Männern und Frauen unterschieden, ergibt sich im Land Bremen dennoch ein Lohnunterschied von acht Prozent. Nach der Studie sei das nur durch „diskriminierenden Praktiken am Arbeitsmarkt“ zu erklären.

Ein Grund der Einkommensdifferenz liegt auch im hohen Teilzeitanteil von Frauen. 80 Prozent aller Frauen in Bremen sind teilzeitbeschäftigt oder gehen einem Minijob nach. Auch unabhängig vom Geschlecht wird hier weniger verdient als Vollzeitkräfte, trotz gleicher Arbeit. Das gilt für alle Branchen, besonders aber für den Bereich Kunst, Unterhaltung und Erholung. Hier beträgt der Unterschied 11,46 Euro.

Um die Lohndifferenz bei Frauen einzudämmen, schlägt Heyduck darum die Einführung des Rückkehrrechts auf Vollzeit vor. Das ermöglicht nach einer Reduzierung der Stelle die Rückkehr zur Vollbeschäftigung. Insbesondere Frauen, die wegen eines Kindes weniger arbeiten konnten, sollen durch das Gesetz zur Vollzeitstelle zurückfinden. „Sonst bleibt man in der Teilzeitfalle“, so Heyduck.

Laut dem Jahresbericht für Bremen ist die Vollzeitstelle als Beschäftigungsform jedoch rückläufig. Im Vergleich zum Jahr 2011 sind rund 30.000 Teilzeitstellen neu entstanden und fast 500 Vollzeitstellen weggefallen. „In der langfristigen Entwicklung ist Vollzeit auf dem Rückzug“, sagt auch Heyduck, die die Tendenz besonders im Gastgewerbe und Einzelhandel erkennt. Hier wollen Menschen länger arbeiten, können es aber nicht.

Schuld sei der zunehmende Wunsch nach flexiblen Arbeitskräften. Ohne ein Recht auf Vollzeit könne nach Heyduck daher nur an die Branchen appelliert werden, den Beschäftigten mehr entgegenzukommen. Vonseiten der Politik wünscht sie sich einen Ausbau der Kinderbetreuung. Das würde den Wiedereinstieg in die Arbeitswelt für Frauen erleichtern, besonders da „viele die Betreuung für einen Vollzeitjob nicht sicherstellen können“. Florian Schlittgen